So können Arbeitgeber pflegende Mitarbeiter unterstützen: Das besondere Benefit
Die Pflegebedürftigkeit der Menschen in Deutschland nimmt stetig zu. Im Jahr 2021 gab es bereits 4,96 Millionen Pflegebedürftige, ein Anstieg von über 800.000 Menschen seit 2019. Allen verfügbaren Daten nach wird die Zahl Pflegebedürftiger bis mindestens Mitte des 21. Jahrhunderts weiter steigen.
Diese Entwicklung hat nicht nur Auswirkungen auf das Gesundheitssystem, sondern auch auf die Arbeitswelt. Gut 80 Prozent der Pflegebedürftigen, das sind rund 3,9 Millionen Menschen, werden zu Hause von Angehörigen gepflegt. Von diesen Angehörigen geht mehr als die Hälfte neben der Pflege noch einer Erwerbstätigkeit nach. Es gibt also fast 2 Millionen Erwerbstätige in Deutschland, die neben ihrem Beruf ihre Angehörigen zu Hause pflegen.
Die Doppelbelastung durch Pflege und Beruf führt zu einem besonders belastenden Alltag der pflegenden Erwerbstätigen. Darauf müssen sich auch die Unternehmen einstellen, wenn sie diese oft erfahrenen Mitarbeiter im Beruf halten wollen. Hier gilt es für die Arbeitgeber, zunächst Verständnis für die Situation zu entwickeln und dann entsprechende Pflegeunterstützungsangebote anzubieten.
Pflegeunterstützung beginnt mit Kommunikation
Der Weg zur erfolgreichen Umsetzung von Pflegeunterstützung als Arbeitgebervorteil beginnt mit einer offenen Kommunikation, am besten von einer möglichst hohen Hierarchieebene aus. Wenn die Führungskräfte eines Unternehmens das Thema proaktiv gegenüber der Belegschaft ansprechen, ist dies ein wichtiges Signal an die Betroffenen, dass sie ihre besonderen Bedürfnisse am Arbeitsplatz nicht mehr verstecken müssen. Zwar wird die Pflegetätigkeit von Angehörigen medial positiv dargestellt, in der Arbeitswelt aber immer noch belächelt.
Neben einer systematischen internen Kommunikation sollte das Thema auch extern im Rahmen des Personalmarketings aufgegriffen werden. Im heute allgegenwärtigen Wettbewerb um neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kann die Unterstützung bei der Pflege ein sehr wertvoller Arbeitgebervorteil sein, der eine sehr breite Zielgruppe unter den Beschäftigten anspricht und daher auch bei der Personalsuche offensiv kommuniziert werden sollte.
Die meisten pflegenden Angehörigen befinden sich im mittleren Lebensalter und damit eigentlich in der besten Phase ihres Berufslebens. Die häusliche Pflege von Angehörigen verhindert jedoch, dass sich diese Beschäftigten voll auf ihre Karriere konzentrieren können. Dies führt dazu, dass die Ressourcen und Fähigkeiten gerade der leistungsstärksten Beschäftigten aufgrund der externen Pflegebelastung nicht ausreichend genutzt werden.
In der Praxis werden nicht nur Menschen in der letzten Lebensphase von pflegenden Angehörigen betreut, sondern auch chronisch kranke Kinder oder Erwachsene aller Altersgruppen. Pflegeunterstützung kann daher auch ein Angebot z.B. für junge Eltern eines chronisch kranken Kindes sein, die sich so unterstützt mit voller Kraft ihrem Beruf widmen können.
Die Unsicherheit vieler Beschäftigter im Umgang mit ihrer privaten Pflegesituation wird die Nachfrage nach effektiven Vereinbarkeitslösungen weiter erhöhen. Arbeitgeber, die hier proaktiv handeln, haben daher einen klaren Wettbewerbsvorteil und können dazu beitragen, ein höheres und besseres Vertrauensniveau zwischen Beschäftigten und Führungskräften zu erreichen.
Praktische Unterstützung im bürokratischen Dschungel
Die Umsetzung des Pflegeunterstützungsgeldes als Arbeitgeberleistung erfordert vor allem ein professionelles Verständnis der bestehenden gesetzlichen Regelungen. Die wichtigste Leistung ist das Pflegeunterstützungsgeld als Lohnersatzleistung nach dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG). Anspruch hat grundsätzlich jede erwerbstätige Person, die zu Hause pflegt.
Ein Verwandtschaftsverhältnis ersten Grades ist nicht erforderlich. Der Anspruch erstreckt sich grundsätzlich auf die Pflege von Kindern, Eltern, Großeltern, Geschwistern, Schwiegereltern, Schwiegerkindern und Ehegatten. Das Pflegeunterstützungsgeld kann für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten in Anspruch genommen werden.
Die Höhe des Pflegeunterstützungsgeldes richtet sich nach dem Nettoeinkommen der pflegenden Person. Grundsätzlich können Beschäftigte kurzfristig für zehn Tage im Jahr von der Arbeit freigestellt werden, wenn ein akuter Pflegefall eintritt oder eine längerfristige Pflegesituation organisiert werden muss. In diesem Fall wird Pflegeunterstützungsgeld als Lohnersatzleistung gezahlt. Es beträgt in der Regel 90 Prozent des Nettoeinkommens.
Bei längerem Pflegebedarf kann die pflegebedürftige Person Pflegegeld beantragen. Das Pflegegeld wird direkt an die pflegebedürftige Person ausgezahlt, in der Regel aber sofort an die Pflegeperson weitergeleitet. Das Pflegegeld ist allerdings nicht sehr hoch: In der höchsten Pflegestufe 5 beträgt es 901 Euro (Stand November 2023). In der Praxis versuchen pflegende Angehörige daher meist, zumindest mit reduzierter Stundenzahl berufstätig zu bleiben, um nicht in die Armut abzurutschen.
Der Antrag auf Pflegegeld wird in der Regel bei der zuständigen regionalen Pflegekasse gestellt. Der Antrag kann in der Regel formlos gestellt werden. Erforderlich ist eine Bescheinigung des Arztes oder des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) über die Pflegestufe und den Umfang der Pflegebedürftigkeit des Pflegebedürftigen.
Pflegeunterstützung als Benefit der Zukunft
Wie aus der obigen, nur skizzenhaften Darstellung schnell deutlich wird, ist die Inanspruchnahme staatlicher Unterstützung für pflegende Angehörige mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden. Hier kann der Arbeitgeber ansetzen, indem er z.B. eine Pflegeberatung für seine Beschäftigten durch eine unabhängige Beratungsstelle anbietet. Die Beratung kann sich auf die gesetzlichen Regelungen zur Pflegeunterstützung, die Suche nach geeigneten Hilfsangeboten oder die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege konzentrieren.
Ein weiteres Angebot könnte z.B. eine Online-Plattform zur Vermittlung von Unterstützungsangeboten in der Region des Arbeitgebers sein. Auf dieser Plattform können pflegende Beschäftigte mit Anbietern von ambulanten Pflegediensten, Pflegestützpunkten oder anderen Hilfsangeboten in Kontakt treten. Sehr hilfreich ist in fast allen Fällen das Angebot flexibler Arbeitszeitmodelle, z.B. Home-Office oder Teilzeitarbeit. Diese Modelle ermöglichen pflegenden Beschäftigten eine individuellere Zeiteinteilung.
Pflegeunterstützung als Arbeitgeberleistung ist nicht nur eine ethische Verpflichtung, sondern auch eine strategische Investition in die Mitarbeiterzufriedenheit und die langfristige Attraktivität des Unternehmens. Unternehmen, die sich frühzeitig mit dem Thema auseinandersetzen und konkrete Maßnahmen ergreifen, binden nicht nur ihre Beschäftigten, sondern gewinnen auch neue Talente. Pflegeunterstützung ist ein wichtiger Baustein für ein ganzheitliches Employer Branding, das die Bedürfnisse der Beschäftigten in jeder Lebensphase berücksichtigt.
Weiterführende Literatur
- Bischofberger, I. (2023). work & care - Der Weg zur Vereinbarkeitskompetenz: Erwerbstätigkeit und Angehörigenpflege kompetent vereinbaren. Deutschland: Hogrefe AG. [Zum Abruf]
- Kößler, S. (2009). Betriebliche Sozialarbeit zur Unterstützung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Aufgabe der neuen Familienservicestellen an den Hochschulen in Bayern. Deutschland: Diplom.de. [Zum Abruf]
- Pflegende Angehörige älterer Menschen: Probleme, Bedürfnisse, Ressourcen und Zusammenarbeit mit der ambulanten Pflege. (2011). Deutschland: Hogrefe AG. [Zum Abruf]
Weiterführende Informationen zum Pflegeunterstützungsgeld
- Pflegeunterstützungsgeld: Anspruch, Höhe, Dauer: haufe.de
- Pflegeunterstützungsgeld als Lohnersatzleistung: bundesgesundheitsministerium.de
- Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG): bundesgesundheitsministerium.de
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