Blog

Toxische Mitarbeiter: Risiken erkennen und eindämmen, Thomas Saller im Interview

Toxische Mitarbeiter - Risiken eindämmen, Thomas Saller im Interview

Ein neuer Begriff findet immer mehr den Weg in die HR-Branche und deren Fachmedien: "Toxizität" in der Belegschaft. Dieser Begriff umfasst eine Vielzahl von Risiken für die Unternehmenskultur und die Produktivität. 

Gerade toxische Verhaltensmuster von Führungskräften führen schnell zu einer negativen Gesamtsituationen, die ganze Organisationen vollständig lähmen können.

Thomas Saller (Vernetzen bei Linkedin) ist Psychologe und MBA. Nach Stationen bei Procter & Gamble, Kienbaum und der EBS Business School ist er seit über 10 Jahren als selbständiger Trainer, Coach, Change-Berater und Workshop-Moderator unterwegs. 

Gerade hat er in einer aktuellen qualitativen Untersuchung verschiedene Facetten toxischer Verhaltensweisen erhoben. Die Ergebnisse können > hier < kostenfrei heruntergeladen werden.

Im Interview spricht der Experte über das Phänomen toxischer Mitarbeiter, Risiken für die Unternehmenskultur und Möglichkeiten der Prävention:


Herr Saller, wie definieren Sie toxische Mitarbeiter?

Ich spreche von Mitarbeitern, die durch ihr Wirken die Kultur und Zusammenarbeit im Unternehmen nachhaltig vergiften und beträchtlichen Schaden erzeugen können.

Auffällig ist, dass diese keineswegs Low Performer sein müssen.

Welche Verhaltensweisen oder Eigenschaften sind für Sie als Arbeitgeber toxisch?

In zahlreichen qualitativen Interviews mit Geschäftsführern und Personalverantwortlichen zu diesem Phänomen wurden die folgenden Verhaltensweisen und Eigenschaften bei der Beschreibung toxischer Mitarbeiter besonders häufig genannt:

  • Negativität und Zynismus – toxische Mitarbeiter*innen denken häufig in Problemen und nicht in Lösungen. In bestimmten Kreisen (oder Kontexten) machen viele von ihnen ihre Kolleg*innen schlecht und sprechen ungewöhnlich negativ über das Unternehmen und das Management.
  • Manipulation – toxische Mitarbeiter*innen tätigen oft Falschaussagen, sprechen implizite Drohungen aus und überschreiten den eigenen Kompetenzrahmen. Dabei ziehen sie häufig auch andere Mitarbeiter*innen in eine negative Spirale hinein.
  • Persönliche Angriffe – toxische Mitarbeiter*innen greifen andere Mitarbeiter*innen und Vorgesetzte oft persönlich an und neigen dazu, Themen zu eskalieren. Ihre Ausdrucksweise ist zwar oft eloquent, allerdings verstecken sie dahinter häufig beleidigende Begriffe und Formulierungen.
  • Verweigerung von Zusammenarbeit – toxische Mitarbeiter*innen verweigern die Zusammenarbeit oft nur mit ganz bestimmten Personen, während sie mit anderen Menschen scheinbar problemlos zusammenarbeiten.
  • Außendarstellung und Intransparenz – häufig wirken toxische Mitarbeiter*innen stark beschäftigt. Damit verschleiern sie oft nur, was sie eigentlich den ganzen Tag tun. Ihre Bereitschaft, auch kritische Business-Themen aus dem eigenen Bereich zu besprechen, ist oft gering.
  • Fehlende Veränderungsbereitschaft – toxische Mitarbeiter*innen stehen Wandel oft nicht offen gegenüber und agieren bei Veränderungen destruktiv. Sie tun sich schwer damit, sich flexibel auf Neues einzulassen.
  • Fehlende persönliche Kritikfähigkeit – insbesondere bei kritischen Bemerkungen gegenüber toxischen Mitarbeiter*innen wird häufig eine schnelle Eskalation beobachtet.

Gibt es auch toxische Führungskräfte?

Auch dieses Phänomen wurde in meiner Untersuchung häufig beschrieben.  Als zusätzliche Verhaltensweisen wurden hier genannt:

  • Ausnutzung von (hierarchischen) Abhängigkeiten und Ausspielen von Macht – berichtet werden verbal dominante und andere herabsetzende Auftritte oder auch die Überschreitung körperlicher Distanzgrenzen.
  • Launenhaftigkeit – viele Befragte berichten von der Technik des Management by Surprise: „Ich befrage dich überraschend zu Themen, von denen du nicht wissen kannst.“
  • Blockieren der Organisation – zum einen geschieht dies durch die „versehentliche“ Verschleppung von Terminen sowie Depriorisierungen und Abklassifizierungen („Das ist kein Thema für uns“). Zum anderen werden Blockaden auch sehr explizit im Gespräch mit ihren Mitarbeiter*innen ausgesprochen: „Ich verbiete Ihnen, diese Informationen an die andere Abteilung weiterzuleiten.“
  • Doppelgesichtigkeit – die Tatsache, dass viele toxische Führungskräfte „two-faced“ sind, wird besonders häufig genannt. Während viele Kolleg*innen die Führungskraft als nett und kompetent beschreiben, empfinden andere ihr Verhalten als katastrophal. „Eine Führungskraft, die bekannt dafür war, ganze Existenzen zu ruinieren, wurde bei uns das ‚lächelnde Fallbeil‘ genannt“, berichtete mir zum Beispiel ein Interviewpartner.

Wie können Arbeitgeber toxische Mitarbeiter identifizieren?

In meiner Studie wurden beispielsweise folgende Indikatoren genannt:

  • Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Verantwortungsbereich einer toxischen Führungskraft verlassen das Unternehmen bereits in der Probezeit wieder.
  • Auch andere quantitative Indikatoren im besagten Team (Krankenstand, Werte aus dem Engagement Survey etc.) weisen in eine negative Richtung.
  • Die toxische Person kümmert sich um Querschnittsthemen (Presse, Personal, Prozesse...) lieber selbst, weil sie die Fachexperten für das entsprechende Thema als „inkompetent“ beschreibt.
  • Wenn die toxische Person Kritik übt, wird diese sehr drastisch formuliert.

Oft hören wir auch, dass Mitarbeiter*innen in bestimmten Projekten nicht mehr tätig sein wollen, weil hier auch die toxische Person mitwirkt.  

Inwieweit können Arbeitgeber derartige Verhaltensweisen korrigieren?

Hier sind sich unsere Gesprächspartner uneins. Während einige Top-Manager sowie Entscheider es mit Training („Wie wirke ich auf andere?“) oder mit Coaching versuchen, stellen andere fest, dass diese Maßnahmen bei ihnen im Unternehmen nicht anschlagen, zum Beispiel weil es häufig keinerlei Unrechtsbewusstsein bei der entsprechenden Person gibt.

Als sinnvollste Best Practices im Umgang mit toxischen Personen erscheinen mir:

  • Setzen von klaren Leistungs- und Verhaltenszielen mit engmaschiger Kontrolle und konkretem Eingreifen in toxischen Situationen
  • Management von Kollateral-Schäden zur Vermeidung von Stimmungsübertragung. Dazu gehören Pulse-Checks mit dem Team, aber auch die Bereitschaft, öffentlich in den Widerspruch zu gehen.
  • Kündigung oder Entfernung der toxischen Person durch eine höhere Ebene, z. B. durch einen Aufhebungsvertrag.
  • Reduktion des Schadenspotenzials durch Definition eines klaren und begrenzten Aufgabengebietes, insbesondere wenn keine Kündigung möglich ist.
  • Neutralisierung durch „Antidoten“: Ein Personalleiter berichtete uns z.B.. „Ich hatte eine Person im Bereich, die ein Gegenstück für diese Person war. Sie hat es geschafft, die Wirkung des Partners zu neutralisieren. Aber der Preis war für diese Person hoch und sie hat sich dabei Stück für Stück auch aufgerieben“.

Wichtig erscheint mir bei jeder Entscheidung eine konzertierte Aktion.

Vor dem Eingreifen sollte beispielsweise mit Kollegen überprüft werden, ob zumindest einige von ihnen auch die toxische Wirkung erleben oder ob es nur um eine persönliche Antipathie geht. Insbesondere die Rolle des Top-Managements darf dabei nicht unterschätzt werden.  

Welche Präventivmaßnahmen können Arbeitgeber ergreifen?

Auch dazu habe ich in den Interviews viel Interessantes gehört.

Viele Gesprächspartner berichten, dass sie sich erst im Nachhinein an Auffälligkeiten aus der Anfangsphase der Zusammenarbeit erinnerten.

Diese hatten unsere Interviewpartner zunächst stutzig gemacht, sie hatten ihnen aber schlussendlich keine zu hohe Bedeutung beigemessen.

Im Interview fielen die Zielpersonen beispielsweise durch ungewöhnliches Verhalten auf. Toxische Personen schilderten beispielsweise besonders viele Konfliktsituationen, unterbrachen die Interviewer oft oder neigten zu einer übersteigerten Selbstdarstellung. Auffällig häufig wurde genannt, dass diese im Interview eigene Fehler, Schwächen oder Konflikte aus der Vergangenheit externalisierten oder hierzu erkennbar keine Aussage machen wollten.

Auch im Onboarding gab es ungewöhnliche Momente. Interviewpartner berichten von überzogenen Forderungen und Positionen bei Verhandlungen, der Nicht-Akzeptanz von Standardverträgen und sogar von persönlichen Beleidigungen, wenn administrative Themen, z. B. im Hinblick auf den Arbeitsvertrag, nicht schnell genug erledigt wurden.

Fast alle Gesprächspartner mussten sich im Gespräch eingestehen, dass sie oder andere Entscheidungsträger die besagten Beobachtungen in der Anfangsphase bei der finalen Einstellungsentscheidung nicht ausreichend berücksichtigt hatten.

Auf Basis vieler weiterer Erkenntnisse zu Frühindikatoren aus unseren Interviews habe ich einen „Toxic Check“ entwickelt, den wir in Zukunft in Auswahlprozessen anbieten können. 

Wie können Sie sicherstellen, dass die Unternehmenskultur toxische Verhaltensweisen nicht fördert?

Ich habe die Erkenntnisse aus den Gesprächen mit unseren Partnern zu dieser Frage in folgender Formel zusammengefasst.

Persönlichkeitsdisposition + erlebte Komplikationen + Coping-Strategie + Duldung des Umfelds = Toxisierung

Wie man an der Formel sieht, reichen Persönlichkeitsmerkmale allein nicht aus, um eine toxische Entwicklung zu durchlaufen. Etwa zwei Drittel der Gesprächspartner*innen berichten, dass die Zielpersonen vor der Toxisierung tatsächliche schwierige Situationen erlebt hatten.

Aber nicht alle Personen, die in berufliche und persönliche Überforderungssituationen kommen, bewältigen diese auf dysfunktionale Art und Weise. Durch bestimmte persönliche Prädispositionen bedingt finden sich bei toxischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber überdurchschnittlich häufig Coping-Strategien wie das

  • Schießen nach Außen statt der Zugabe eigener Überforderung,
  • eine übermäßige Strenge und Kontrollzwang oder
  • eine Alles-oder-Nichts-Einstellung bei Entscheidungen.

Hier kommt nun die Unternehmenskultur ins Spiel: In vielen Unternehmen lassen Führungskräfte oder Kollegen toxische Mitarbeiter zu lange gewähren.

Zum Teil geschieht dies auch – insbesondere beim Top-Management – weil wirksame Kontrollinstanzen fehlen. Meine Gesprächspartner sprechen im Interview von einem unkritischen oder einem konfliktvermeidenden Umfeld („keiner sagt es der Person, dass es so nicht geht“), Achselzucken („der ist halt so, die Zahlen stimmen ja“) oder der fehlenden Bereitschaft, auf andere Stimmen zu hören („mir gegenüber ist sie eigentlich immer ganz freundlich, ich weiß gar nicht, was Du damit meinst“).

Diese „toxische Toleranz“ in der Unternehmenskultur begünstigt eine schwierige Wechselwirkung, in welcher toxische Mitarbeiter darin bestärkt werden, sich weiterhin oder sogar vermehrt unangenehm zu verhalten: „Ich komme mit dem Verhalten nicht nur durch, sondern sogar zu meinem Ziel“, kann die Erkenntnis lauten. Hier gilt es anzusetzen!

Welche Rolle spielt das Employer Branding mit den festgelegten Werten dabei?

Ich habe nicht den Eindruck, dass ein bestimmtes Employer Branding vermehrt toxische Mitarbeiter anzieht. Gute Auswahlprozesse und die oben beschriebenen Kontrollinstanzen in der Unternehmenskultur sind meines Erachtens wichtigere Aspekte bei der Vermeidung toxischer Mitarbeiter.

Mein Eindruck ist, dass jedoch das Vorhandensein toxischer Mitarbeiter Auswirkungen auf den Employer Brand haben kann. Gerade habe ich wieder bei einem Kunden erlebt, was die Auswirkung eines toxischen Vertriebsleiters auf die Kununu-Bewertungen des Unternehmens hatten. Da kann der Score in einem halben Jahr schon mal um einen ganzen Punkt sinken...

Herr Saller, vielen Dank für das Interview!

 

Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

Fragen: Nicolas Scheidtweiler / Vernetzen bei Linkedin


 

 

Schreibe einen Kommentar

Achten Sie darauf, die erforderlichen Informationen einzugeben (mit Stern * gekennzeichnet).
HTML-Code ist nicht erlaubt.

Über uns

Hinter der Marke "Employer Branding now" stehen Experten aus den Bereichen Human Resources, Unternehmenskommunikation, Strategieentwicklung, Kreation, PR und Marketing. Durch die Bündelung aller Kompetenzen beraten wir Sie zu allen Fragen das "Employer Branding" betreffend.

Kontakt

Employer Branding now
c/o Consus Marketing GmbH

Schwachhauser Heerstraße 2a
28203 Bremen

T. +49 421 160 397 38

kontakt@employer-branding-now.de

Employer-Branding-now Facebook Footer  Employer-Branding-now Google Footer  Employer-Branding-now Twitter Footer  Employer-Branding-now YouTube Footer  Employer-Branding-now LinkedIn Footer  Employer-Branding-now RSS Footer  Employer-Branding-now XING Footer  Employer-Branding-now SlideShare Footer

Log in

create an account