Autor: Nicolas Scheidtweiler
Rezension: Employer Branding in Krisen – Studie zeigt Ansätze
Employer Branding stärkt in Krisen die Mitarbeiterbindung und Motivation. Eine Studie der TU Braunschweig zeigt, wie Unternehmen diese Herausforderung meistern.
NICOLAS SCHEIDTWEILER
Senior-Berater und Geschäftsführer
Tel. +49 421 365 115 20
scheidtweiler@eb-now.de
Eine unterschätzte Aufgabe des Employer Branding besteht darin, auch in Krisen die Mitarbeiterbindung zu erhöhen und die Motivation des einzelnen Mitarbeiters zu erhalten. Wie Expertinnen und Experten aus Unternehmen sich der Aufgabe widmen, zeigt die qualitative Studie des Instituts für Unternehmensführung an der Technischen Universität Braunschweig.
Das Autorenteam um Johannes Schmidt wollte wissen, wie sich die Corona-Krise auf das betriebliche Employer Branding ausgewirkt hat.
Kontext entspricht teilweise Praxis
Im ersten Kapitel ordnet das Autorenteam die Studie in die aktuelle Arbeitsmarktsituation ein. Dabei verlässt sie sich auf öffentliche Meinungsäußerungen und Ergebnisse – unter anderem dem eher linken Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung – demnach Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zunehmend auf die Fragen der Werte und der ethischen Grundlage in ihrer Arbeit setzen. Dies widerspricht in großen Teilen der Erfahrung aus der Praxis.
Denn was für höher qualifizierte Berufsgruppen in bestimmten Milieus eine Rolle spielt, taucht im Bewusstsein von einfachere Tätigkeiten im Bereich Pflege, Handwerk oder Industrie nicht so auf.
Das führt einem Folgefehler im nächsten Kapitel und in der Untersuchung. Denn es fehlt die Frage nach den konkreten Sozialleistungen für die Mitarbeiter in derartigen Tätigkeiten, bei denen es vor allem um Gehalt, Altersvorsorge und finanzielle Stabilität ihres Arbeitgebers geht.
Richtig ist jedoch, dass es grundlegend um die Positionierung der Arbeitgebermarke geht, um auch in Krisen sichtbar für Wunschkandidaten zu sein und allgemein auf deren Bedürfnisse einzugehen.
Unklare Employer Branding-Definition
In den folgenden zwei Kapiteln werden zunächst Definitionen der relevanten Begriffe „Employer Branding“ und „Krise“ festgelegt. Während am zweiteren keine Ergänzungen vorzunehmen sind, besteht am ersten Begriff fachliche Kritik.
Employer Branding wird durch die Autoren auf Basis bestehender wissenschaftlicher Definitionen auf die Markenbildung und Kommunikation beschränkt.
Und darin findet sich der Folgefehler aus dem vorhergehenden Kapitel. Denn im Bereich der Personalarbeit spielen auch Fragen nach den „Was“-Angeboten und den „Wie wollen wir arbeiten“-Faktoren eine entscheidende Rolle für die Arbeitgeberattraktivität.
Schön ist dagegen das Zitat, dass “dessen [Employer Branding] eigentliches Wesen letztlich in der Anbahnung und Förderung von Austauschbeziehungen zu sehen ist“. Diesem Imagefaktor trägt das weitere Kapitel Rechnung.
Der dann skizzierte Employer Branding-Prozess entspricht überblicklich den gängigen Organisationsentwicklungsprozessen und geht im Rahmen des kurzen Buches nicht auf die notwendigen Details ein (mehr dazu).
Das Gleiche gilt für den Bereich der Krise. Auch hier fehlt der Raum für tiefer gehende praxisnahe Betrachtungen dieses Feldes. Dieser Artikel gibt weitere Hinweise zum Business Continuity Management mit Unterstützung durch das Personalwesen.
Das passende Seminar für Sie
Studienergebnisse zeigen Ausschnitt zu Krisen
Im Studienteil konzentriert sich das Autorenteam auf die Ergebnisse aus den strukturierten Inhaltsanalysen der Experteninterviews.
Wenig überraschend stimmen die Experten der Aussage zu, gerade in Krisen in das Employer Branding zu investieren.
Hier wäre es spannender gewesen, Geschäftsführer und nicht direkt am Employer Branding-Prozess beteiligte, zur Relevanz und zum Output zu befragen.
Die wichtigsten Ergebnisse sind dann im Zuge der Coronapandemie die Digitalisierung im Employer Branding. Hierbei stellen die befragten Experten insbesondere auf die externe Kommunikation mit Hilfe von Social Media und Karriereplattformen und auch interne Kommunikation ab.
Fraglich ist, ob diese Kommunikationsfragen tatsächlich den Digitalisierungsaspekt im Rahmen der Employer Branding-Strategie abdecken. Denn dort stellen die Befragten vor allem Recruiting-Instrumente in den Vordergrund, die als Kontaktpunkte von der analogen in die digitale Welt überführt werden mussten.
Damit verbinden die Autoren auch die Thematik der Mitarbeitermotivation und -bindung. Die Beziehungsarbeit muss durch ein internes Kommunikationskonzept verstärkt werden. Dort nähern sich die Autoren dann auch den wirklichen Fragen eine Arbeitgebermarke: Wie soll flexibles Arbeiten von Ort und Zeit gestaltet werden? Auch da zeigt sich, dass sich die Studie auf Höherqualifizierte konzentriert, die dort andere Optionen haben, ihre Arbeitsplätze frei zu gestalten.
Konkret bezogen auf die Krise kommen wenig überraschend – das belegen mehrere Umfragen in den Jahren – das Gesundheit und Sicherheit im Umgang miteinander eine zunehmende Attraktivität für die Belegschaft spielen (oder gespielt haben).
Final – und das gehört eigentlich zu den Beginn der Ergebnisse – geht es um die Führung im Unternehmen. Gerade in Krisensituationen muss das Vertrauen in die Führungskräfte erhalten bleiben. Hier wird deutlich, welche Rolle soziale Kompetenzen gerade in unruhigen Zeiten einnehmen.
Insgesamt kann die Studie zum Denken anregen, aber es bedarf einer weiteren Vertiefung der Ergebnisse.
Details zum Buch
„Krisengerechtes Employer Branding: Empfehlungen für Unternehmen am Beispiel der Corona-Krise“ des Autorenteams Dietrich von der Oelsnitz, Marlen Behring und Johannes Schmidt ist 2023 als Essential bei Springer Gabler erschienen, hat 50 Seiten und kostet als Taschenbuch 15,41 EUR.
Bildrechte: Springer