Active Sourcing: Wie Unternehmen Bewerber heute wirklich erreichen
Recruiting-Verantwortliche stehen heute mehr denn je vor der Herausforderung, neue Talente und erfahrene Fachkräfte in einem zunehmend leergefegten Arbeitsmarkt zu finden.

NICOLAS SCHEIDTWEILER
Senior-Berater und Geschäftsführer
Tel. +49 421 365 115 20
scheidtweiler@eb-now.de
Bereits in der Studie „Recruiting Trends 2014“ der Otto-Friedrich Universität Bamberg und der Goethe Universität Frankfurt am Main wurde deutlich, dass soziale Netzwerke bei der aktiven Kandidatensuche immer wichtiger werden.
Heute, über zehn Jahre später, hat sich Active Sourcing als fester Bestandteil professioneller Recruiting-Strategien etabliert.
Jedoch bedarf es weiterhin einer erweiterten Methoden-Kompetenz der Personalerinnen und Personaler.
Was ist Active Sourcing?
Active Sourcing beschreibt die proaktive Ansprache potenzieller Kandidaten durch das Unternehmen. Statt auf Bewerbungen zu warten, gehen Recruiter aktiv auf Talente zu – über soziale Netzwerke, Karrieremessen, Hochschulkooperationen oder Empfehlungen aus dem eigenen Team.
Welche Maßnahmen zählen zum Active Sourcing?
Die Randstad-ifo-Personalleiterbefragung von 2022 (Zur Studie) zeigte, dass 77 % der Unternehmen Empfehlungen von Mitarbeitenden als wichtigstes Instrument bewerten.
Social Media-Kanäle wie TikTok oder Facebook folgen mit 36 %, Karrierenetzwerke wie Xing und LinkedIn mit 34 %. Kooperationen mit Hochschulen (31 %) und Karrieremessen (16 %) spielen ebenfalls eine Rolle.

Diese Ergebnisse zeigen: Persönliche Netzwerke und digitale Sichtbarkeit sind entscheidend. Ein vertiefter Blick auf das Thema findet sich bei Springer Professional.
Die Palette der Instrumente ist demnach vielfältig und reicht von digitalen bis zu persönlichen Kanälen:
- Karrierenetzwerke wie früher Xing, heute vor allem Linkedin, oder in Nischen wie z.B. dienstzeitende.de, über die Recruiter gezielt Profile durchsuchen und Kontakt aufnehmen können.
- Empfehlungsprogramme, bei denen Mitarbeitende gezielt Kandidaten aus ihrem sozialen Umfeld vorschlagen. Hier bedarf es der Steuerung und Motivation durch Prämienmodelle.
- Private Social Media-Plattformen wie Instagram, TikTok oder Facebook, über Beziehungen zu Bewerbern aufgebaut und direkte Ansprachen möglich werden.
- Hochschulmarketing, etwa durch Kooperationen mit Hochschulen, Praxisprojekte oder Gastvorträge.
- Talentpools und Boomerang Hiring, in denen frühere Bewerber oder Kontakte systematisch gepflegt und bei neuen Vakanzen reaktiviert werden können.
- Karrieremessen und unternehmenseigene Networking-Events, auf denen persönliche Gespräche initiiert und Talente langfristig gebunden werden.
- Karriereseiten und Newsletter, die Interessenten regelmäßig Einblicke ins Unternehmen geben und Nähe aufbauen.
- Verwendung von CV-Datenbanken: Über Plattformen wie Stepstone, Monster oder Experteer lassen sich Lebensläufe nach bestimmten Kriterien durchsuchen und Kontakte herstellen.
Effektives Active Sourcing kombiniert dabei meist mehrere dieser Maßnahmen – mit einem klaren Fokus auf Beziehungspflege statt Massenansprache. Dazu bedarf es Ressourcen (Personal, Zeit, Geld) und Know-how.
Social Media als Schlüsselkompetenz
Eine individuelle, zielgerichtete Ansprache der Kandidaten ist das Herzstück erfolgreichen Active Sourcings. Nur wer die Sprache und Kanäle seiner Zielgruppe versteht, wird wahrgenommen. Standard-Floskeln und generische Massenmails gehören der Vergangenheit an.
Hierfür braucht es digitale Kompetenz. Wer als HR-Verantwortlicher heute Talente gewinnen will, muss sich mit den Mechanismen der sozialen Netzwerke auskennen und diese aktiv bespielen können.
Dazu zählt die die Erstellung attraktiver Inhalte auch in technischer Hinsicht, wie Reels, Shorts, Stories.
Das Community Building durch eine adressatengerechte Kommunikation wird zur Kernaufgabe.
Die Realität: Selbstbild vs. Fremdbild
Eine Studie der International School of Management zeigt eine Diskrepanz: Recruiter bewerten die Wirksamkeit ihrer Active Sourcing-Maßnahmen deutlich besser als die Talente selbst. Die Kandidaten empfinden viele Ansprachen als zu wenig auf ihre Bedürfnisse abgestimmt.
Was fehlt, ist die echte Auseinandersetzung mit den Wünschen und Lebensrealitäten der Zielgruppen. Es geht darum, den Bedürfnissen die Nutzen entgegenzustellen, den der neue Job beruflich und privat bietet.
Eine gute Active Sourcing-Strategie hilft dabei, Ressourcen zu bündeln, Profile gezielter zu adressieren und Kanäle sinnvoll zu vernetzen.
Jedoch: Wenn das Personalmarketing fehlt, scheitert das Recruiting.
Personaler müssen zu Verkäufern werden
Active Sourcing ist kein „Nice-to-have“ mehr, sondern strategische Notwendigkeit.
HR-Verantwortliche müssen lernen, sich sicher in Social Media zu bewegen, Inhalte zu kuratieren und dialogorientiert zu kommunizieren. Nur so gelingt es, eine echte Verbindung zu Kandidaten aufzubauen.
Die Rolle des Recruiters wandelt sich: Vom Empfänger zum Sender der Arbeitgebermarke.
Wer Talente heute erreichen will, muss verkaufen können – nicht Produkte, sondern den Arbeitgeber und seine Kultur.
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