„Purpose“: Kriterium und Privileg der Generation Y?

Gibt es einen klar erkennbaren „Clash of Generations“ in Unternehmen und ist dies allein auf den „Purpose“, von uns übersetzt als Sinnsuche – jüngerer Mitarbeiter zurückzuführen?

Nicolas Scheidtweiler - Employer Branding now

NICOLAS SCHEIDTWEILER
Senior-Berater und Geschäftsführer
Tel. +49 421 365 115 20
scheidtweiler@eb-now.de

Der Thementag Personalvermittlung des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister (BAP) bereicherte erneut mit einem Programm, das vielfältige Handlungsfelder für Arbeitgeber skizzierte. Zwei Highlights waren für mich die Vorträge von Dr. Steffi Burkhardt und Helmut Muthers. Beide anregende Redner mit klaren Meinungen.

Helmut Muthers, der sich auf das Themenfeld „Ältere Mitarbeiter“ spezialisiert hat, stimme ich aufgrund unserer Erfahrungen mit der Image-Analyse unterschiedlicher Arbeitgebermarken zu, was Einstellungen und Erwartungen der Generation 50+ an die Arbeit betrifft. Das Interview mit dem Experten zeigt die Fragestellungen rund um diese Mitarbeitergruppen auf.

Widerspruch zu Steffi Burkhardt

Anders verhält es sich mit dem Vortrag von Steffi Burkhardt. Ihre Aussagen zur Generation Y und Z erfordern Widerspruch.

Denn in der Frage-Antwort-Runde zum Ende des Tages betonte die Sprecherin erneut, dass es einen „Clash of Generations“ gebe. Das halte ich nur für bedingt richtig. Belege dazu finden wir in der Praxis wenig.

Kein „Clash of Generations“

Nach unserer Praxiserfahrung gibt keinen erkennbaren „Clash of Generations“. Es ist eher ein Clash zwischen unterschiedlichen Lebensentwürfen, dem Berufsfeld und dem Arbeitgeber. Es ist der Umgang mit Technologien und die Erwartungen an die nächsten Schritte im privaten und beruflichen Leben. Dahingehend liegt eine Kontinuität in Menschen, Unternehmen und Berufsfeldern vor, die vom Alter begleitet, aber nicht dominiert wird.

Denn DIE eine Generation X, Y, Z oder Alpha gibt es nicht. Neben demografischen Aspekten formen Bildung, Geografie, Milieu, Geschlecht, Weltanschauung, Religion, Familie, Kultur, Lebensphasen, Gesundheit die Eigenschaften einer Employee Persona (in der Wahlkampagne von Barack Obama wurden zum Beispiel über 20.000 dieser Aspekte für die Zielgruppendefinitionen genutzt).

Die Reduktion auf eine Alterskohorte reicht nicht aus.

Sinnsuche als Kriterium?

Als Beleg und zentrales Unterscheidungskriterium zwischen den Generationen und in der Folge dem „Clash of Generations“ führt Steffi Burkhardt die Sinnsuche im Beruf an. Mit der neudeutschen Beschreibung „Purpose“ bekommt dieser Aspekt einen modernen Anstrich. Stimmt das?

Wir stellen in der Arbeit mit unseren Kunden aus Handwerk und Gewerbe insbesondere in ländlichen Regionen nicht fest, dass die Generation Y und Z eine ausgeprägte Tendenz zum „Purpose“ haben. Hier stehen weiterhin klassische Lebensentwürfe und damit Benefits im Vordergrund: Ausreichend Geld verdienen, um eine Familie zu gründen, ein Haus zu bauen und ein gutes Leben bis ins Alter zu haben.

Daneben spielen Motivatoren wie ein gutes Team, ein respektvoller Umgang und Freude an der konkreten Aufgabe eine Rolle. Eine besonders ausgeprägte Sinnsuche ist nicht festzustellen, eher der Wunsch nach einer hedonistischen Lebensführung.

Innerhalb der Unternehmen unterscheiden sich dabei die Generationen nur marginal, was diese Aspekte eines guten Lebens angeht. Die Sinnsuche ist kaum relevant für die genannten Branchen. Was sich unterscheidet, ist die Artikulation der eigenen Bedürfnisse und Erwartungen. Jüngere Generationen sind selbstbewusster, was ihre Rolle als benötigte Arbeitskraft angeht. Sie fordern mehr Freiheiten ein, die sich allerdings auch ältere Mitarbeiter wünschen. Auf Basis dieses „Lautseins“ könnte man von einem „Clash of Generations“ sprechen.

Teile der Generation Y mit „Purpose“

Es gibt bestimmte Milieus, auf die die Erwartungshaltung der Sinnsuche zutrifft. Vorrangig sind es Oberschüler, Studenten und Universitätsabsolventen, mit bestimmten monetären, zeitlichen und kulturellen Privilegien, wie der Chance zur Vernetzung untereinander. Daraus resultieren verschiedene Engagements in Politik, Gesellschaft und Umwelt. Das führt wiederum zur medialen Präsenz und zu einem bestimmten Image dieser Generation.

Erkennbar ist das an den Fridays for Future-Demonstrationen: Teilnehmer sind selten, wenn überhaupt, Auszubildende oder gewerblich arbeitende junge Menschen. Trotzdem wirkt es, als ob eine ganze Generation gegen den Klimawandel demonstriert. Für diesen lauteren Teil der Generation Y ist es wichtig, sich mit den Werten ihres Arbeitgebers zu identifizieren.

Sinnsuche kein Privileg

Aber: Sinnsuche ist kein Privileg einer bestimmten Generation. Denn auch umgekehrt können andere Altersgruppen sehr wohl den „Purpose“ in ihrer Arbeit suchen und eine Wertekongruenz zwischen sich und ihrem Arbeitgeber anstreben. Sie kann in Milieus einer Generation stärker ausgeprägt sein. Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Akademisierung ist bei jüngeren Generationen der Fall, gilt aber nicht für alle Zugehörigen dieser Kohorten.

Unternehmen, die ihre Werte und ihre Positionierung klar benennen und kommunizieren, haben eine bessere Ausgangsposition im Personalmarketing und Recruiting bei allen Zielgruppen. Dazu zählt die Führung. Die bekannten Aspekte lauten: Das Management sollte Vorbild sein, Vertrauen in Menschen vorleben, Aufgaben bis zu einem bestimmten Grad begründen und wertschätzend kommunizieren. Das führt am Ende zur Beantwortung des „Purpose“.

Purpose: Richtige Annahmen treffen

Für Arbeitgeber bedeutet es indes, sich mit ihren Mitarbeiter- und Bewerbergruppen genauer auseinanderzusetzen. Zwar habe ich in diesem Blog-Artikel über Stereotype im Recruiting gesprochen. Das Schubladendenken hilft, um effizient seine Wunschbewerber zu erreichen.

Allerdings lautet die Voraussetzung dazu, die richtigen Annahmen zu treffen. Und dahingehend war der Vortrag von Steffi Burkhardt zu unspezifisch und meiner Erfahrung nach falsch.

Natürlich ist dieser essayistische Beitrag nur eine Sichtweise auf die Komplexität der Eigenschaften und Bedürfnisse von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterschiedlichen Alters. Es bedarf auf wenigen Zeilen eines Artikels immer einer gewissen Modellierung. Aber nur einen Aspekt zur Beschreibung einer Generation heranzuziehen, ist falsch.

Bildrechte: Lukas / pexels.com

Sie möchten mehr wissen?

Buchen Sie jetzt ein kostenloses 30-minütiges Beratungsgespräch mit einem unserer Experten!

Teilen Sie diesen Artikel:
LinkedIn
XING
X
WhatsApp
Telegram
Facebook

Weitere Artikel aus unserem Blog

Diane Zetzmann-Krien
An Führungskräfte werden im Unternehmen besondere Anforderungen gestellt. In der Vergangenheit waren diese eindeutig. Durch die Generation Y und ihre neuen Ansprüche verändert sich auch die Erwartung an die Nachwuchskräfteförderung. 
Hochschulmarketing als Konzept im Employer Branding
Hochschulmarketing sichert frühzeitig den Zugriff auf Talente. Das Konzept für die Zielgruppe „Studierende“, ergibt sich aus dem Employer Branding.
Deutschlandstipendium - Chance für Arbeitgeber - Employer Branding-Blog
Das Deutschlandstipendium bietet für Arbeitgeber im Recruiting Chancen. Durch Förderung von Studentinnen und Studenten entstehen frühzeitig Beziehungen.