Im Interview spricht Andreas Göb über Kompetenzentwicklung von Mitarbeitern, Talentmanagement und der Wertorientierung der jüngeren Generationen.
NICOLAS SCHEIDTWEILER
Senior-Berater und Geschäftsführer
Tel. +49 421 365 115 20
scheidtweiler@eb-now.de
Andreas Göb ist Bereichsleiter Technik bei den Stadtwerken Schweinfurt. Er legt einen besonderen Fokus auf die zielorientierte Entwicklung von Fähigkeiten für unterschiedliche Aufgaben und Hierarchien. Im Interview geht er auf grundlegende Anforderungen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein.
Er leitet seit 2017 den Bereich Technik bei der Stadtwerke Schweinfurt GmbH und ist verantwortlich für die Personalentwicklung im Bereich Technik. Dazu zählen die strategische Weiterentwicklung des Geschäftsbereichs im Hinblick auf die Gestaltung der Energienetze im Kontext der Energiewende und des Klimawandels. Ein Fokus liegt auf dem Ausbau von Dienstleistungen im Bereich erneuerbarer Energiesysteme der digitalen Transformation.
Der Diplom-Wirtschaftsingenieur war langjährig im Recruiting-Team einer internationalen Strategie- und Managementberatung tätig.
Herr Göb, Sie sprechen mit einem Schmunzeln von talentfreien Tugenden bei Mitarbeitern – was verstehen Sie darunter?
Unsere Branche befindet sich in einem rasanten Wandel, der die Halbwertszeit von Fähigkeiten immer kürzer werden lässt.
Klimawandel, Energiewende oder Digitalisierung sind dabei nur einige Schlagworte, die diese Entwicklung treiben.
Wenn wir unser Team verstärken, suchen wir daher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das Potenzial haben, diese Entwicklung mitzugestalten. Oft sind unter den Bewerberinnen und Bewerbern auch Fachfremde oder Branchenneulinge. Damit diese das Potenzial abrufen können, sind für uns Tugenden wie Leistungsbereitschaft, der Wille zur Weiterqualifizierung und das nötige Durchhaltevermögen wichtig – kurz: Die Bereitschaft, die Extrameile zu gehen.
Inwieweit werden diese Fähigkeiten im Bewerbungsprozess abgefragt oder ermittelt?
Erste Hinweise können hier bereits die Bewerbungsunterlagen geben. Wie haben sich Leistungen im Zeitverlauf entwickelt? Welche Stationen hat die Person bereits durchlaufen? Welche Weiterqualifikationen wurden bereits erworben und in welcher Zeit?
Im Gespräch vertiefen wir diese Fragen. Welche Rückschläge musste man hinnehmen und wie ist man damit umgegangen? Wie geht jemand mit Lücken in der gewünschten Qualifikation um? Wie ist die Fähigkeit zur (realistischen) Selbstanalyse ausgeprägt? Wie ist die Frustrationstoleranz, wenn es im Gespräch nicht so gut läuft? Und natürlich der Klassiker: Wo sieht sich jemand in fünf Jahren und wie möchte er oder sie dahinkommen?
Die Bewerbungsunterlagen und die Gespräche geben dabei natürlich immer nur Hinweise und sind von Stelle zu Stelle differenziert zu betrachten. In der Gesamtschau kann es aber helfen, sich ein gutes Bild von der Bewerberin oder dem Bewerber zu verschaffen und das Potenzial abzuschätzen, so die Kompetenzentwicklung vorbereiten.
Wie helfen die Stadtwerke Schweinfurt bei der Kompetenzentwicklung?
Das hängt zu einem guten Teil von der jeweiligen Person und der entsprechenden Tätigkeit ab. Ein wichtiges Element sind turnusmäßige Entwicklungsgespräche und Zielvereinbarungen. Auch regelmäßige Coachings können die Selbstreflektion unterstützen – sofern das angenommen wird. Die Gespräche dienen dazu, gemeinsam einen Entwicklungsplan aufzustellen, den die betroffene Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter dann eigenständig verfolgen kann.
Externe Seminare und Weiterbildungen begleiten und ergänzen diesen Weg, der sowohl die fachliche Qualifizierung als auch die methodischen und sozialen Fähigkeiten entwickeln sollen. Dabei versuchen wir, eine gute Mischung aus der Entwicklung im Unternehmen und Schulungen außerhalb der täglichen Arbeit zu erreichen.
Unser Ziel ist, dass die Kolleginnen und Kollegen die für sie passenden Methoden und Werkzeuge identifizieren und diese in ihren Arbeitsalltag integrieren.
Wie nehmen Sie den Zwiespalt zwischen engerer Führung und dem oft propagierten Wunsch nach Freiheit der Generation Y und Z wahr?
Im Ergebnis braucht es wohl beides und es muss vielleicht auch nicht zwangsläufig ein Zwiespalt sein.
Wir haben gesetzliche und technische Regelungen, die es einzuhalten gilt. Gerade im technischen Bereich der Versorgungswirtschaft haben wir viele Arbeitsbereiche, in denen klare Hierarchien und Zuständigkeiten wichtig sind. Im Störungs- oder Krisenfall kommt es auf schnelles und zielgerichtetes Handeln an, um die Versorgungssicherheit, die Arbeitssicherheit und den Schutz der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.
Hierzu muss jeder wissen wer was zu tun hat und wer die Entscheidungen trifft. Die Regelungen im Technischen Sicherheitsmanagement sind da ein gutes Beispiel.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch viele kreative und gestalterische Möglichkeiten. Flexible Arbeitsmodelle, individuelle Weiterbildungsmöglichkeiten oder ein betriebliches Vorschlagswesen bieten die Möglichkeit, sich einzubringen und gewisse Freiheiten zu nutzen. Wir versuchen, Kolleginnen und Kollegen hierbei zu ermutigen und machen Angebote. Die finale Initiative muss aber letztendlich vom Beschäftigten selbst ausgehen.
Was bedeutet das für den Aspekt „Purpose“?
Auch der Wunsch nach „Purpose“ kann meines Erachtens erfüllt werden.
Die Corona-Krise hat uns vor Augen geführt, welche wichtige Aufgabe die kritische Infrastruktur der Daseinsvorsorge für uns erfüllt. Die sichere Versorgung mit Strom, Wasser, Wärme und in Zeiten von Homeoffice und Homeschooling auch schnellen und sicheren Kommunikationsverbindungen wurde von den Kolleginnen und Kollegen zu jederzeit aufrechterhalten.
Eine Leistung, auf wir alle bei den Stadtwerken Schweinfurt stolz sein können.
Klimawandel und Energiewende stellen uns vor weiteren Herausforderungen, welche die nächsten Dekaden prägen werden. Ich bin zuversichtlich, dass wir weiterhin junge Menschen dafür begeistern können, an diesen Herausforderungen mitzuarbeiten.
Die Stadtwerke Schweinfurt wandeln sich vom Anbieter der Daseinsvorsorge hin zu vielfältigen Services für Kunden – was bedeutet das für die Kompetenzentwicklung ?
Der rasante Wandel der Branche und die steigende Wettbewerbsintensität sind für mich keine neuen Entwicklungen, sondern beschäftigen uns schon seit vielen Jahren. Die Phrase „Nichts ist so beständig wieder der Wandel“ passt dazu wohl ganz gut.
Als Stadtwerke haben wir bei unseren Kundinnen und Kunden oft einen Vertrauensvorschuss als seriöser und verlässlicher Partner. Vielen von ihnen ist dabei auch wichtig, dass wir mit unseren Einnahmen auch den ÖPNV und das Freizeitbad finanzieren. Dieses Vertrauen bietet für uns die Möglichkeit, uns vom Versorger zum „Umsorger“ zu entwickeln und auch neue Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Neben der klassischen Energie- und Wasserversorgung sind die Stadtwerke auch bei Internetdiensten, Glasfaseranschlüssen, Wallboxen für Elektrofahrzeuge oder Smart Home Lösungen erste Wahl. Darauf lässt sich aufbauen.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind schon lange in einem kontinuierlichen Veränderungsprozess – egal ob dieser durch rechtliche, technische oder kundeninduzierte Anforderungen ausgelöst wurde.
Für die Beschäftigten ist die fortlaufende Weiterqualifizierung schon fast zur Routine geworden. Damit dies für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber auch dauerhaft erfüllend ist, kommt es dann auch wieder auf die Leistungsbereitschaft und den Willen zu Weiterqualifizierung an
Welche Herausforderungen sehen Sie darin?
Wir leben in einem Zeitalter des Wandels und der Beschleunigung. Die technischen Möglichkeiten entwickeln sich rasant, Produktlebenszyklen werden kürzer. Der digitale Wandel bietet immer neue Möglichkeiten, kann aber auch einen disruptiven Einfluss auf bestehende Geschäftsmodelle haben. Die Folgen des Klimawandels und die Maßnahmen zu dessen Eindämmung werden diese Entwicklungen wahrscheinlich weiter beschleunigen.
Die Herausforderungen sind also vielfältig und der Ausgang oft ungewiss. Diese Ungewissheit kann für viele Menschen eine große Belastung sein. Dabei wollen wir für unsere Kunden und Mitarbeiter die richtige Balance aus Innovation und Verlässlichkeit finden. Die Gewährleistung der Versorgungssicherheit in einem sich wandelnden Umfeld ist dabei vielleicht Herausforderung und Fixpunkt zugleich.
Herr Göb, vielen Dank für das Interview.
Bildrechte: Andreas Göb