Blue Card: Arbeitnehmerüberlassung auf höchstem Niveau, Interview mit Matthias Albrecht
Im Bereich der hochqualifizierten ausländischen Fachkräfte spielt die Arbeitnehmerüberlassung eine zunehmende Rolle. Stichwort Blue Card.
NICOLAS SCHEIDTWEILER
Senior-Berater und Geschäftsführer
Tel. +49 421 365 115 20
scheidtweiler@eb-now.de
Nicht immer können Unternehmen ihren Personalbedarf durch die Wahrnehmung und das Image der eigenen Arbeitgebermarke in den heimischen Märkten decken. Gerade im Bereich hochqualifizierter Fachkräfte wird der Markt enger.
Matthias Albrecht (Zum Linkedin-Profil), Geschäftsführer von Manta Consulting, erläutert den Einsatz der „Blauen Karte“ in der Arbeitnehmerüberlassung. Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre und der Soziologie arbeitete er in verschiedenen Positionen in der Zeitarbeitsbranche.
Die genannten Gehaltsfenster ändern sich regelmäßig. Das Interview fokussiert auf das konzeptionelle Vorgehen. Aktuelle Zahlen finden sich auf den Seiten der Bundesregierung.
Herr Albrecht, wer kann grundsätzlich eine Blaue Karte EU (Blue Card) erhalten?
Die „Blaue Karte EU“ wurde eingeführt, um dem zu erwartenden oder bereits bestehenden Fachkräftemangel in der EU zu begegnen.
Laut Auswärtigem Amt handelt es sich bei der „Blauen Karte EU“ (Blue Card) um einen „Aufenthaltstitel für Ausländer mit akademischen oder diesem gleichwertigen Qualifikationsniveau“.
Aus unserer Sicht bietet die Blue Card verschiedene Vorteile: Inhaber können nach Gültigkeitsablauf bzw. unter bestimmten Voraussetzungen nach 21 Monaten eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung beantragen, sie können innerhalb des Schengen-Raumes bis zu 90 Tage visumfrei reisen und es besteht ein vereinfachter Familiennachzug für Angehörige.
Antragsteller müssen einen Arbeitsvertrag oder ein verbindliches Arbeitsplatzangebot vorlegen, aus dem hervorgeht, dass Sie ein Jahresgehalt von derzeit mindestens 53.600 Euro verdienen werden. Das entspricht zwei Drittel der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung. In diesem Fall bedarf es keiner Zustimmung der Agentur für Arbeit. Für Angehörige von Mangelberufen wie IT-Fachkräften, Ingenieuren, Mathematikern, Naturwissenschaftlern und Ärzten liegt das erforderliche Mindestgehalt bei 41.808 Euro. Allerdings muss die Bundesagentur für Arbeit bei Gehältern unter 53.600 Euro ihre Zustimmung geben und prüft vorab die Vergleichbarkeit des Gehaltes und der Arbeitsbedingungen, um Missbrauch auszuschließen.
Liegt die Zustimmung vor, kann zwar eine Arbeitserlaubnis erlangt werden, sie berechtigt jedoch nicht zur Blauen Karte und ohne diese dürfen keine Mitarbeiter aus Drittstaaten im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung beschäftigt werden. Die Gültigkeit der Blauen Karte EU richtet sich nach der Dauer des Arbeitsvertrages, bei erstmaliger Erteilung durch die Ausländerbehörde jedoch höchstens vier Jahre. Meist wird bei erstmaligem Erhalt die Gültigkeit auf das Enddatum des Arbeitsvertrages plus drei Monate ausgestellt. So haben „Blue Card-Inhaber“ nach ihrem Einsatz noch einen kleinen „Puffer“.
Wie setzt Ihr Unternehmen die Blue Card in der Arbeitnehmerüberlassung ein?
Unser Unternehmen hat in der Vergangenheit bereits mit diversen Botschaften und Ausländerbehörden aus unterschiedlichen Ländern erfolgreich zusammengearbeitet und Kandidaten aus Indien, Australien, Osteuropa, dem Balkan, Afrika und Südamerika bei seinen Kunden in Deutschland eingesetzt. Dabei rekrutieren wir nicht selbst, sondern eröffnen vielmehr als Multiplikator unseren Kunden ein breites und spezialisiertes Agenturnetzwerk.
So schaffen wir es, durch internationale Agenturkooperationen, Kunden bei der Besetzung ihrer offenen Positionen ein sehr großes Netzwerk für Blue Card-Anwärter anzubieten. Um unseren Kunden die bestmögliche Auswahl an hochspezialisierten Fach- und Führungskräften für deren Projekte zu bieten, konzentrieren wir uns dabei voll und ganz auf deren Bedarfe und stimmen diese mit unseren Agenturen ab.
Welche Anforderungen stellen Sie an lokale internationale Recruiting-Agenturen?
In unserer partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit Agenturen achten wir sehr genau auf ihre Arbeitsweise, Branchenkenntnis und Performance. Wir arbeiten hierbei ausschließlich mit fachlich spezialisierten und erfahrenen Agenturen zusammen, die sowohl entsprechend geeignete Kanäle im Search zur Verfügung haben, als auch den zusammen erarbeiteten Gesamtprozess abbilden können.
Dies gelingt uns im besonderen Maße dadurch, dass wir hier international agieren und zusätzlich zu den üblichen Kanälen (Xing, Linkedin, Kununu und andere Netzwerke) auf Agenturdatenbanken und deren Netzwerke zugreifen können. Für unsere Kunden bringt dies einen deutlichen Mehrwert, da wir dadurch das „Netz“ für die Blue Card viel größer als auch fachspezifischer auswerfen können.
Im Rahmen unseres internen Controllings wird die Zusammenarbeit mit unseren Agenturen ständig kontrolliert, gesteuert und weiterentwickelt. Durch eine laufende Performancemessung (intern und/oder mit dem Kunden abgestimmte KPIs) der einzelnen Agenturen, können wir weiterhin nicht nur jene perfekt tracken, sondern auch bei nicht ausreichender Performance reagieren.
Mehr Informationen erhalten Sie in unserem Recruiting-Tipp: "EU Blue Card für Fachkräfte beantragen".
Wie lange dauert es bis zum Einsatz in Deutschland?
Es ist schwer hierbei eine verbindliche Aussage zur Dauer des Gesamtprozesses bis zum ersten Arbeitstag zu treffen, da die Bearbeitungszeit der Anträge in den Botschaften unterschiedlich viel Zeit in Anspruch nimmt und auch mitunter die Wartezeit bis zum Termin mehrere Wochen oder Monate betragen kann.
Unsere Recruiting-Agenturen sprechen bei ihrer Suche mit den geeigneten Blue Card-Kandidaten und klären schon im Vorfeld, ob und ab wann sie sich einen Umzug nach Deutschland vorstellen können. Es ist zu erwähnen, dass es in manchen Ländern beispielsweise sehr lange Kündigungsfristen von bis zu 90 Tagen gibt, so dass dies, so wie auch in Deutschland, eine Verlängerung des Prozesses nach sich ziehen kann.
Weiterhin richtet sich der mögliche Start nach der Terminvergabe durch die Botschaft sowie Bearbeitungszeit und Reisevorbereitung, welche sehr individuell sein kann. Wir empfehlen deswegen unseren Agenturen, den Kandidaten möglichst früh im Prozess einen Botschaftstermin vereinbaren zu lassen.
Welche Rolle spielt Ihr Unternehmen in diesem Blue Card-Prozess?
Ab dem Zeitpunkt der Zusage nehmen wir wiederum Kontakt zum Kandidaten auf, holen Personalunterlagen ein und erklären ihm den weiteren Ablauf. Abhängig von der Wartezeit bis zum Termin, setzen wir uns mit der zuständigen Botschaft in Verbindung und prüfen, ob ggf. ein früherer Termin möglich ist. Darüber hinaus bereiten wir die Kandidaten bestmöglich auf den Termin vor und versenden den Arbeitsvertrag und weitere erforderliche Dokumente sowie bei Bedarf Checklisten.
Gleichzeitig betreut die Agentur die Kandidaten bei ihrem Umzug nach Deutschland und unterstützt sie darin, sich schnell in ihrer neuen Heimat einzuleben. Nachdem unsere Mitarbeiter ihre Arbeitserlaubnis erhalten haben, begleiten wir sie weiter beim Beantragungsprozess der eigentlichen „Blauen Karte“. Zuständig hierfür ist die Ausländerbehörde in der Gemeinde, in der der Mitarbeiter gemeldet ist.
Gemeinsam mit unseren Agenturen stehen wir vom ersten Kontakt bis zum Onboarding beim Kunden unseren Mitarbeitern stets zur Seite.
Wo liegen die Herausforderungen für die Integration ausländischer Fachkräfte?
Neben der Umgewöhnung an eine neue Kultur sind ausländische Fachkräfte vielfach mit Sprachbarrieren konfrontiert. Die Wohnungssuche verläuft in der Regel reibungslos, da hier die Agenturen bei der Wohnungssuche unterstützen oder mit Relocation-Agenturen kooperieren.
Herausfordernder wird es jedoch häufig bei Behördengängen in Deutschland: Viele Behörden, gerade in kleineren Gemeinden, verfügen nur über einen deutschsprachigen Internetauftritt, deutschsprachige Formulare und auch die Mitarbeiter sind des Englischen mitunter nicht oder nicht hinreichend mächtig. Wir helfen hier bei Bedarf, vermitteln telefonisch, buchen einen Termin oder übersetzen Formulare.
Im Kundenbetrieb haben unsere ausländischen Fachkräfte keine Probleme, da sie in großen internationalen Unternehmen eingesetzt werden und die Kollegen und Vorgesetzten Englisch sprechen können.
Wie erfolgt die Unterstützung der Blue Card-Fachkräfte?
Durch regelmäßige Telefonate, besonders in der Anfangszeit, unterstützen wir unsere neuen Mitarbeiter sehr. Weiterhin besuchen wir unsere Mitarbeiter in der Anfangszeit an ihrem Arbeitsplatz, nicht nur um die vorgeschriebene Arbeitsplatzbesichtigung zu vollziehen bzw. die Arbeitssicherheit zu kontrollieren, sondern auch, um die Eingewöhnung erfolgreicher zu gestalten.
Durch den ständigen Austausch mit unseren Mitarbeitern bekommen wir sehr oft das Feedback, herzlich aufgenommen und integriert zu sein. Unsere Kunden hingegen loben die hohe Motivation, große Kompetenz und Leistungsbereitschaft. Mitunter melden sich unsere ausländischen Fachkräfte sogar nach kurzer Zeit zum Deutschkurs an und absolvieren diesen.
Welche Erwartungen haben hoch qualifizierte Migranten in der Arbeitnehmerüberlassung?
Unsere Fachkräfte kommen teilweise aus weit entfernten Ländern und sind mitunter das erste Mal in Deutschland. Die Erwartungen von hoch qualifizierten Migranten an ihre neue Lebenssituation ist sehr vielschichtig. Generell wird von uns ein rundum perfekter Service erwartet, welchen wir jedem neuen Mitarbeiter auch bieten können. Dies betrifft meist die Themen Relocation, Onboarding bzw. die persönliche Betreuung und Integration vor Ort.
Im Kundenbetrieb erwarten unsere Mitarbeiter ebenso einen reibungslosen Ablauf, beispielsweise, dass ihnen ihrer Position bzw. Rolle entsprechend alle Mittel zur Erfüllung ihres Projekteinsatzes zur Verfügung gestellt werden. Dies umfasst eine Integration und Einweisung in das Projekt, mit allen dafür erforderlichen Informationen zu Prozess- und Ablaufthemen.
Man muss an dieser Stelle sagen, dass die gemeinsame Zusammenarbeit mit unseren Kunden sehr positiv dazu beiträgt, den neuen Mitarbeitern die Hilfestellung zu bieten, die sie benötigen.
Welche Kosten entstehen bei dem Recruiting und der Überlassung?
Grundsätzlich entstehen dem Kunden keine größeren Kosten als bei einem „normalen“ Dienstleister, welche selber rekrutiert. Bei dem Geschäftsmodell, des neutralen MSPs, muss man die Kosten separat betrachten, welche in der Summe die gleichen sind wie bei einem Personaldienstleister.
Das bedeutet zum einen, dass wir als TCP keine Recruitingkosten haben, sondern diese entsprechend der Agentur entstehen bzw. diese ihre Marge von uns erhalten und zum anderen wir unsere normale Marge durch die Abwicklung erhalten. Das bringt für unsere Kunden den Vorteil, wie bereits oben teilweise angesprochen, mit einem Ansprechpartner bei der TCP, ein komplettes Netzwerk von Agenturen zu haben. Dies ist besonders entscheidend bei Auftragsspitzen bzw. spontan aufkommenden Bedarfen aus den Fachbereichen.
So können wir strategisch, schnell und passgenau auf Kundenherausforderungen reagieren. Ebenso liegt der Kundenvorteil darin, bei aufkommenden Anfragen aus anderen Fachbereichen (IT, Engineering) oder Standorten (international) schnell und effizient zu reagieren.
Herr Albrecht, vielen Dank für das informative Gespräch.
Bildrechte: Matthias Albrecht, JLink temp experts GmbH