Workation: Aspekte der Planung und Umsetzung, Julia Ezinger im Interview
Workation ist seit den frühen 2020er Jahren ein Trend-Benefit. Es kann die Bedürfnisse unterschiedlicher Mitarbeitergruppen erfüllen und so auf das Employer Branding einzahlen.
Dr. Julia-Sophie Ezinger (Zum Linkedin-Profil) hat mit Rhome eine Software-Lösung entwickelt, die HR-Abteilungen Sicherheit bieten soll.
Im Interview spricht sie über Zielgruppen, Planung und Umsetzung von Workations.
Julia-Sophie Ezinger, warum ist Ihnen das Thema Workation so wichtig?
Reisen war immer schon ein großer Teil meines Lebens, sowohl dienstlich als auch privat. Während meiner Zeit bei Mercedes habe ich festgestellt, dass mir Dienstreisen viel geben, weil ich in Einklang mit lokalen Arbeitskräften und Menschen kommunizieren und das erleben kann. Dieses Thema blieb mir immer im Hinterkopf.
Vor ein paar Jahren habe ich meinen Job bei Mercedes aufgegeben und bin nach Madeira und Fuerteventura gereist, um meine Doktorarbeit fertig zu schreiben. Dabei stellte ich fest, dass es große Beschränkungen hinsichtlich steuerlicher und rechtlicher Themen gibt, um remote im Ausland zu arbeiten. Dies war der Anstoß zur Gründung von Rhome, da wir dieses Problem lösen wollten.
Wie definieren Sie Workation als Instrument im Employer Branding?
Grundsätzlich mag ich das Wort „Workation“ nicht besonders. Wenn ein Mitarbeiter zu seinem Chef geht und sagt: „Ich möchte auf Workation gehen“, klingt das nicht besonders ansprechend. Letztlich ist es mobiles Arbeiten, nur eben im Ausland. Der Ausland-Aspekt entsteht nur durch rechtliche Einschränkungen. Ansonsten ist es nichts anderes als normales mobiles Arbeiten. Wir sehen, dass viele Mitarbeiter dies nutzen, um nach Hause zu ihrer Familie zu fahren und Arbeit und Leben besser zu vermischen.
Für mich bedeutet Workation mehr als nur die Möglichkeit, im Ausland zu arbeiten. Es geht darum, dass man selbst entscheiden kann, wo man am besten arbeitet und seine Zeit flexibel einteilen kann. Beispielsweise kann man früher anfangen zu arbeiten und eine längere Mittagspause machen. Es fühlt sich natürlicher an, wenn man bei seiner Familie ist und die Abende gemeinsam verbringen kann.
Workation kann als Benefit vermarktet werden, da der Arbeitgeber aktiv etwas für seine Mitarbeiter tut. Gleichzeitig sollte es in die Mentalität des Unternehmens übergehen, weil es nicht nur um mobiles Arbeiten im Ausland geht, sondern auch um Flexibilität, Vertrauen und andere wichtige Aspekte.
Für welche Zielgruppe ist Workation grundsätzlich interessant?
Es gibt viele Stereotypen, wie junge, unabhängige Menschen ohne Kinder. Tatsächlich stellen wir über unsere Plattform fest, dass auch viele Menschen im „Ferienhausalter“ Workation machen. Das sind Menschen, die sich ein Ferienhaus leisten können und dies auch häufig nutzen. Es gibt keinen typischen Stereotyp, der immer auf Workation geht.
Wir sehen wenige Leute, die für vier Wochen nach Ibiza fahren. Stattdessen gibt es relativ viele, die ihr Ferienhaus nutzen oder einfach etwas Ruhe suchen. Solche Fälle kommen bei uns häufiger vor als weite Reisen.
Was gibt es noch für Gründe, die Sie kennen?
Es gibt verschiedene Gründe für eine Workation. Einige Menschen möchten ihre Familie besuchen und dort Zeit verbringen. Leider gibt es auch Fälle, in denen man aus familiären Gründen, wie Pflegebedürfnissen von älteren Familienmitgliedern, nach Hause muss. Eine Workation ermöglicht es, solche Verpflichtungen mit der Arbeit zu vereinbaren.
Andere wollen neue Länder erkunden. Das finde ich persönlich sehr schön, denn so fühlt man sich nicht mehr wie ein Tourist, wenn man länger an einem Ort bleibt und mehr Verantwortung für seine Aktivitäten übernimmt.
Eine weitere Gruppe sind diejenigen, die ihre Urlaube verlängern. Sie fahren an einen Ort und bleiben dann länger dort. Das hat den Vorteil, dass man weniger fliegen muss, mehr Zeit an einem Ort verbringen kann und dadurch den Aufenthalt intensiver genießen kann.
Welche Vorteile bringt dieses Instrument dann im Employer Branding?
Bei der Jobsuche spielt die Möglichkeit, im Ausland zu arbeiten, eine wichtige Rolle. Recruiter berichten oft, dass eine der ersten Fragen lautet: "Kann ich im Homeoffice arbeiten?" Die zweite Frage ist dann oft: "Kann ich auch im Ausland arbeiten?" Das zeigt, dass Workation definitiv einen Wert hat.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Vertrauen des Managements. Es geht darum, dass die Führungskräfte darauf vertrauen, dass die Mitarbeiter ihre Arbeit gut machen und die besten Intentionen für das Unternehmen haben.
Welche Risiken lauern bei einer Workation?
Als Arbeitgeber muss man sich intensiv mit rechtlichen Fragen auseinandersetzen, was ein wesentlicher Grund ist, warum viele Unternehmen Workation nicht erlauben. Auf die rechtlichen Aspekte können wir gleich noch im Detail eingehen, aber zuerst zu den anderen Themen.
Ein großes Thema ist das Vertrauen in die Mitarbeiter. Es gibt Bedenken, wie die Mitarbeiter an unterschiedlichen Orten arbeiten und wie man damit umgeht, wenn ein Teil des Teams Workation macht und andere nicht.
Auf der Seite der Mitarbeiter gibt es auch Risiken: Wird das Internet zuverlässig funktionieren? Wird es ruhig genug sein? Gibt es genügend Steckdosen an den richtigen Stellen? Solche scheinbar banalen Fragen stellen sich, sind aber in der Praxis meist kein großes Problem. Aus meiner Erfahrung scheitert eine Workation selten an diesen Dingen.
Das größte Thema, das Arbeitgeber beachten sollten, sind die rechtlichen Aspekte. Es geht nicht nur um die berühmte A1-Bescheinigung oder die 183-Tage-Regel, sondern es sind wirklich fünf verschiedene Rechtsgebiete betroffen, und das in zwei verschiedenen Ländern. Dazu kommen die jeweiligen Abkommen zwischen den Ländern. Das bedeutet, dass es für Arbeitgeber sehr komplex ist, sich einen Überblick zu verschaffen.
Zusätzlich gibt es das ganze Thema Steuerrecht, sowohl Unternehmenssteuer als auch persönliche Einkommensteuer. Und schließlich spielt auch das Thema Immigration eine Rolle: Unter welchem Visum darf man arbeiten? Habe ich in Deutschland eine Arbeitserlaubnis, und gilt diese auch in anderen Ländern wie Jamaika? All diese Aspekte machen Workation für Arbeitgeber zu einer Herausforderung.
Worauf kommt es bei der Planung an?
Im Vorfeld sollten Arbeitgeber und Mitarbeiter alles klären. Mitarbeiter können das Risiko oft nicht einschätzen, weil es für das Unternehmen relevant ist. Daher sollte man es nicht einfach so machen. Wenn man davon hört, sollte man ein Signal setzen und alles klären, bevor man es zulässt.
Es hilft immer, eine Richtlinie aufzustellen. Es muss eine Grundlage für den Auslandsaufenthalt geben, sei es eine individuelle Zusatzvereinbarung oder eine Unternehmensrichtlinie. Darin wird festgelegt, wie viele Tage man wohin gehen darf und was passiert, wenn man krank wird oder der Laptop ins Meer fällt.
Wir empfehlen, jeden Einzelfall zu prüfen, da die individuelle Konstellation oft nicht durch eine allgemeine Richtlinie abgedeckt werden kann. Man kann entweder einen Rechtsanwalt oder Steuerberater hinzuziehen oder auf ein Software-Tool setzen, das diese Prüfung automatisiert durchführt.
Wie unterscheiden sich Planung und Vorbereitung in EU oder Drittstaat?
Grundsätzlich hängt alles von den bilateralen Beziehungen zwischen dem Herkunftsland und dem Zielland ab. Innerhalb der EU wurden viele Regelungen durch Vereinbarungen wie die A1-Bescheinigung vereinfacht, was einiges an Bürokratie abnimmt. Doch insgesamt spielt es keine große Rolle, ob das Zielland zur EU gehört oder nicht.
Ein weiterer Aspekt ist die Zeitzone. Innerhalb der EU deckt man viele Länder ab, was ein Gefühl der Sicherheit vermittelt. Doch auch hier gilt: Im Kontext von Workation ist es weiterhin wichtig, die detaillierte Planung zu berücksichtigen. Das umfasst rechtliche und sozialversicherungsrechtliche Aspekte sowie die Frage, ob man überhaupt in dem jeweiligen Land arbeiten darf. Auch Themen wie Arbeitszeiterfassung und -regelungen sind oft länderspezifisch und können je nach Zielort variieren.
In der EU gibt es sogenannte Eingriffsnormen, die über dem lokalen Arbeitsrecht stehen und auch für Workationer gelten. Diese Normen, wie etwa die EU-Posted Workers Directive, bieten zwar einen einheitlichen Rahmen, werden jedoch von jedem EU-Land unterschiedlich interpretiert. Dies können die Regelungen komplexer machen, da jedes Land eigene Auslegungen und Anpassungen vornimmt.
In weniger entwickelten Ländern, wie beispielsweise Ruanda oder Jamaika, sind solche umfangreichen rechtlichen Regelungen oft nicht vorhanden. Lokale Anwälte geben teilweise an, dass es dort an Durchsetzungskraft und klaren gesetzlichen Vorgaben mangelt. Das Risiko bleibt dennoch bestehen. Ein aktuelles Beispiel ist Russland, wo theoretisch Abkommen mit Deutschland bestehen, die jedoch derzeit ausgesetzt sind. Dies führt zu Unsicherheiten, wie damit umzugehen ist.
Zusätzlich zu den rechtlichen Aspekten spielen sicherheitsrelevante Faktoren und Datenschutz eine Rolle, die ebenfalls in die Bewertung einer Workation einfließen sollten. Es geht also nicht nur um die rechtlichen Rahmenbedingungen, sondern auch um die generelle Sicherheit und den Schutz persönlicher Daten.
Wie erfolgt bei Rhome die Umsetzung?
Wir arbeiten mit einer Vielzahl von Kunden, von kleinen Unternehmen mit 20 Mitarbeitern bis hin zu großen Konzernen. Unser Ziel ist es, allen Kunden individuell zu helfen, wobei der Ansatz je nach Unternehmensgröße unterschiedlich ist. In kleineren Unternehmen können wir Workation oft schneller und unkomplizierter umsetzen, während größere Unternehmen oft einen umfangreicheren Prozess benötigen.
Zunächst durchlaufen wir mit dem Kunden eine Findungsphase, in der wir ermitteln, was genau benötigt wird. Dabei prüfen wir, ob das Unternehmen bereit ist, Workation einzuführen, oder ob es sich noch in der Analysephase befindet und erst herausfinden möchte, ob Workation überhaupt sinnvoll ist.
Wir unterstützen von Anfang an mit allen nötigen Unterlagen, die auch Geschäftsführern dabei helfen, Argumente für die Einführung von Workation zu finden. Der nächste Schritt ist dann in der Regel die Erstellung einer maßgeschneiderten Richtlinie. In einem Workshop, gemeinsam mit unseren Arbeitsrechtlern, klären wir alle relevanten Aspekte und entwickeln diese Richtlinie.
Diese Richtlinie wird anschließend in unser Online-System implementiert. Alles, was darin festgelegt wurde, wird in Rhome übernommen und bildet die Grundlage für die Workation-Umsetzung im Unternehmen.
Das Unternehmen erhält einen Company-Account, über den Mitarbeiter eingeladen werden können. Wenn du beispielsweise zu Unternehmen XYZ gehörst, kannst du eingeladen werden, und dein Account wird mit diesem Unternehmen verknüpft. So kannst du deine Workation einfach über das System beantragen.
Wie entscheidet die Software über die konkrete Workation?
Wir sind keine Rechtsanwälte und keine Steuerberater, daher können wir nur bedingt rechtliche oder steuerliche Auskünfte geben. Allerdings können wir aus unserer Erfahrung berichten, was andere Unternehmen erlauben und womit sie sich wohlfühlen. Letztlich wird bei uns jeder Fall individuell geprüft. Das System überprüft jeden Einzelfall automatisch, sodass Sie zunächst alles freigeben können, wenn Sie bereit sind, ein gewisses Risiko einzugehen, dass manche Anfragen abgelehnt werden müssen.
Unsere Plattform ist eine klassische B2B-Lösung. Firma XY hat einen Rhome-Account und kann sich darüber anmelden. Die Mitarbeiter pflegen dort ihr Profil, entweder über die Stammdatensysteme oder selbstständig. Über dieses Profil können Workation, Dienstreisen und Entsendungen beantragt werden.
Sobald der Mitarbeiter eine Anfrage abschickt, erhält die HR-Abteilung sofort einen Risikobericht. In den verschiedenen Rechtsgebieten leuchten dann Warnlampen auf, ähnlich wie bei den meisten Compliance-Systemen. Wir geben an, welche Maßnahmen erforderlich sind, damit diese Lampen grün werden. Diese Aufgaben erledigen wir entweder für unseren Kunden oder sie werden automatisch durch Rhome umgesetzt, oder der Kunde lädt die erforderlichen Dokumente, wie Visa, hoch. HR kann dann alles freigeben und die Anfrage an den Mitarbeiter zurückgeben, falls noch Aufgaben zu erledigen sind. Unser Ziel ist es, die Compliance-Arbeit der HR-Abteilung zu minimieren und gleichzeitig sicherzustellen, dass sie informiert ist, ohne sich stundenlang in Rechtsgebiete einarbeiten zu müssen.
Wir haben auch eine technische Lösung, die uns informiert, wenn es Änderungen in einem Land oder Rechtsgebiet gibt. Diese Änderungen lassen bei uns intern ein Warnsignal aufleuchten. Dennoch erfolgt immer eine abschließende menschliche Kontrolle.
Julia Enziger, vielen Dank für das ausführliche Gespräch!
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Das Gespräch bei Youtube:
Interviewer: Nicolas Scheidtweiler / Vernetzen bei Linkedin