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Weg vom Autopiloten: Mitarbeiterführung durch Mindful Leadership

Sean Hoban von Kimble über Mindful Leadership - Employer Branding-Blog

“Health and Well-being”, “Decision-making”, “Mindfulness” (zu deutsch: Achtsamkeit) oder eben “Mindful Leadership” - in deutschen Unternehmen breiten sich Ansätze für einen neuen Führungsstil vorgelebt vom Silicon Valley rasant aus. Das kann die Work-Life-Balance der Mitarbeiter und das Employer Branding erheblich verbessern. Arbeitgeber sollten diese Art der Führung kennen.

Im Interview erläutert Sean Hoban, Mitgründer und Geschäftsführer von Kimble Applications, was Mindful Leadership bedeutet und wie der Ansatz das Employer Branding unterstützt.

Er beobachtet in der gegenwärtigen Situation große Schwierigkeiten bei vielen Unternehmen, die einerseits durch ein verbessertes Führungskonzept gelöst werden können oder andererseits durch den praktizierten Führungsstil erst hervorgerufen werden. Seiner Meinung nach spielt Mindful Leadership insbesondere während der veränderten Arbeitswelt durch Covid-19, aber auch im Hinblick auf die Organisation zukunftsfähiger Arbeitsplätze, eine wichtige Rolle.

Anlass für das Interview ist die Umfrage "Chef Check", die Einblicke in die Erwartungen von Mitarbeitern an Führungs- und Beteiligungsformen gibt.


Guten Tag Herr Hoban, was ist Mindful Leadership?

Mindful Leadership oder übergreifend Mindfulness - zu deutsch Achtsamkeit - ist ein stark diskutiertes Thema - sowohl auf einer individuellen Ebene als auch in der Unternehmensführung. Achtsamkeits-Apps, Studios bis hin zu spezialisierten Coaches bieten Unterstützung, die richtige Balance zu finden. Unternehmen aus verschiedensten Branchen wie beispielsweise Allianz, Weleda, Sparkasse, Bosch oder Beiersdorf haben ihre eigenen langfristigen Programme zu achtsamer Führung eingerichtet. Der Vorreiter ist Google. Der Suchmaschinen-Betreiber hat ein sehr erfolgreiches Programm namens "Search inside yourself", eine Art Selbstmanagement-Programm, ins Leben gerufen. Dieses Insight-Training wurde von Chade-Meng Tan, einem ehemaligen Software-Engineer und jetzigem Motivations-Coach, initiiert und ist heute weltweit sehr erfolgreich.

Warum ist Mindful Leadership jetzt gerade wichtig?

Wir sind ständig verfügbar: Nach Feierabend, im Urlaub, auf Familienfeiern oder in gemütlicher Runde mit Freunden - der Griff zum Handy ist obligatorisch geworden, um sicher zu gehen, dass alles reibungslos läuft. Gerade in der jetzigen Situation von sozialer Distanzierung aufgrund von Covid-19 sind wir auf Technologien angewiesen, um in Kontakt zu bleiben und einen gewissen Teil zu kontrollieren, erzeugen jedoch in anderen Fällen genau das Gegenteil. Die Digitalisierung und ihre Auswirkungen fordern und belasten die Führungskräfte zugleich.

Der Mensch, das Miteinander, die Zusammenarbeit und Kommunikation spielen dabei eine untergeordnete Rolle und die Menschlichkeit bleibt auf der Strecke. Doch tatsächlich steigen neben der Vielzahl und Komplexität der Aufgaben auch die Erwartungen an die Führung von Mitarbeitern. Wie können Führungskräfte in der derzeitigen Situation den Überblick behalten, Mitarbeiter im Dschungel der Veränderungen motivieren und navigieren und gleichzeitig die Freude an der Arbeit erhalten oder sogar steigern? Das Konzept von Mindful Leadership kann dabei helfen.

Das klingt nach komplexen Anforderungen. Worauf kommt es für Führungskräfte an?

Mindful Leadership ist eine besondere Führungsmethode für mehr Selbsterfahrung und Selbstkontrolle durch die Übung der Achtsamkeit. Während gewöhnliche Trainingskurse für Führungskräfte hauptsächlich kognitive und mentale Fähigkeiten vermitteln, geht es bei Mindfulness in erster Linie um die Entwicklung von Bewusstsein und intrinsischer Motivation auf der Grundlage von Einsicht. Achtsamkeit ist also eine besondere Form der Konzentration, bei der man bewusst den Moment wahrnimmt, ohne sich vorschnell und unreflektiert zu bewertenden Interpretationen und damit Reaktionen hinreißen zu lassen. Es geht um die Kompetenz der bewussten Aufmerksamkeit und die Akzeptanz der Realität des Augenblicks.

Was bedeutet das konkret?

Im Mittelpunkt steht die Entwicklung der Selbststeuerungsfähigkeit der eigenen Aufmerksamkeit. Das bedeutet, dass man selbst entscheidet, wohin Aufmerksamkeit gelenkt wird und nicht auf "Autopilot" denkt. Mit dieser Einstellung sollen Gelassenheit und Offenheit für schwierige Situationen erlernt werden, um sich unter anderem besser in bestimmte Situationen am Arbeitsplatz und im Team einfühlen zu können, sich selbst und andere zu motivieren aber auch um belastbarer und fokussierter durch den Arbeitsalltag zu gehen. Im Allgemeinen geht es um die Förderung des Einfühlungsvermögens, von Mitgefühl, Belastbarkeit, Motivation, Regenerationsfähigkeit, Selbstwirksamkeit, Kreativität, Produktivität, Konzentration, Durchsetzungsvermögen, Lebensfreude und noch viel mehr.

In welchen Situation kann Achtsamkeit den Führungsstil verbessern?

Zum Beispiel in schwierigen, stressigen Situationen. Diese haben eine Eigendynamik und unser Fokus verengt sich ganz natürlich. Menschen haben dabei oft das Gefühl von Informationen überflutet zu werden. Mindfulness hilft dabei genau das zu erkennen. Die Lösung liegt darin, sich nicht in diesen Situationen mitreißen zu lassen, sondern den Mut zu haben eine Weile innezuhalten, damit sich der Wirbel legen kann. Alle Fähigkeiten müssen bewusst in den Prozess, die Entscheidungsfindung oder Meinung eingebracht werden. Oft sind sich Menschen darüber nicht im Klaren, wie der Druck einer Situation die Fähigkeiten beeinflusst und sie führt. Jeder verfügt über die angeborene Fähigkeit selbst bei schwierigen Entscheidungen präsent zu sein. Es fehlt aber meist das Erkenntnisvermögen, dass eine Reaktion gerade reaktiv geschehen ist. Dafür helfen Methoden, die mehr Bewusstsein für solche Situationen schaffen. Mindfulness sorgt für mehr innere Ruhe, mehr Klarheit und adäquate Reaktion.

Ein anderes Beispiel ist, dass viele Führungskräfte oft ihren Arbeitsalltag als "Spießrutenlauf" verbringen. Diesen als solchen aber nicht wahrnehmen, sondern die Vorstellung haben, ein Tag voller Termine und Projekten symbolisiert ein erfolgreiches Arbeitsleben. Jedoch haken sie tatsächlich nur ihre To Do-Liste ab und sind oft durch den Tag gehetzt. Die Zeit reicht lediglich für ein kurzes oberflächliches "Hallo" an die Kollegen im Vorbeigehen. Wie kann eine gute Führung erwartet werden, wenn alle den ganzen Tag im Autopilot-Modus verbringen? Am Ende des Tages wird sich dann die Frage gestellt, wo der Tag hin ist und wie es Frühling sein kann, wenn doch gerade erst Herbst war? Das zeigt, dass Führungskräfte nicht wirklich die Zeit haben kreativ und innovativ zu denken.

Die Grundpfeiler einer gesunden Zusammenarbeit sind jedoch gerade Kreativität und Innovation. Meistens fehlt Führungskräften der Raum, der Platz zum Atmen, der notwendig ist, um klar und konzentriert zu sein und den anderen Kollegen wirklich zuzuhören. Es erfordert Mut und Übung so einen Raum bewusst zu schaffen. Mindfulness innerhalb der Führung verhilft zu mehr Raum und dadurch zu mehr Präsenz. Eine bewusste Einstellung fördert auch nicht nur die Arbeitsweise, sondern auch die Gestaltung des privaten Lebens.

Mindful Leadership kann also nicht nur für Führungspersonen, sondern auch für Mitarbeiter hilfreich sein?

Eine Vielzahl von Studien zeigt, dass Mindfulness das Potenzial besitzt Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Menschen gleichermaßen zu erhöhen. Die Effekte sind nicht nur auf psychologischer, sondern auch auf neuronaler Ebene erwiesen. Eine Steigerung der Achtsamkeit bietet auch innerhalb von Unternehmen vielversprechende Möglichkeiten. So ermöglicht es Mindful Leadership, herausfordernde Situationen neu wahrzunehmen und damit neue, kreative Problemlösungen und Verhaltensmuster zu finden. Ein Unternehmen mit einem Führungsverhalten, das kaum selbstreflektierend ist und sich daher seiner negativen Wirkungen nicht bewusst ist, beeinflusst den Unternehmenserfolg stark.

Darüber hinaus wirkt sich das Verhalten auch auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter, deren Engagement und Produktivität sowie auf generelle Fehlzeiten und Mitarbeiterfluktuation aus. So zeigt auch die international durchgeführte Chef Check-Umfrage, dass für zwei Drittel der Befragten das Verhältnis zwischen Führungskräften und Mitarbeitern entscheidend für den Verbleib oder das Verlassen des Unternehmens ist.

Der durch Mindfulness vermittelte andere Blickwinkel auf Probleme kann sicherlich auch in vielen Entscheidungssituationen von Führungskräften vorteilhaft sein. Emotionale Intelligenz, verantwortungsvolles Handeln oder Entscheidungskompetenz werden gefördert. Weitere positive Effekte für jeden einzelnen Mitarbeiter und Führungskräfte sind das Erkennen der eigenen Kapazitäten und deren Grenzen. Eine achtsame Führung im Unternehmen reduziert nicht nur das Stresslevel des Einzelnen, sondern hat auch viele andere positive Auswirkungen auf das Unternehmen selbst und den Unternehmenserfolg. Mindful Leadership beeinflusst den Erfolg des Unternehmens und trägt zu einer effektiven Führung bei.

Studien zeigen, dass Mitarbeiter so motivierter sind undeine höhere Produktivität entsteht. Die Work-Life-Balance wird so verbessert und es gibt weniger krankheitsbedingte Fehltage. Die Teams arbeiten agiler durch ein stärker vernetztes proaktives Handeln.

Inwieweit betrifft es das Employer Branding?

Und diese Auswirkung betrifft eben auch das Employer Branding: Ein erfolgreich geführtes Unternehmen beeinflusst die Zufriedenheit der Mitarbeiter und es steigert die Attraktivität für Bewerber und Arbeitnehmer. Ein gutes Team-Management führt zu zufriedenen Mitarbeitern und zufriedene Mitarbeiter strahlen in jeder Situation ein positives Bild des Unternehmens aus, das von allen Außenstehenden wahrgenommen wird. Die Mitarbeiter werden zu Markenbotschafter in Kundengesprächen, bei öffentlichen Veranstaltungen, im privaten Umfeld oder auch in Online-Bewertungen. So kann sich das Unternehmen von anderen abheben.

Wird das Konzept bereits in größerem Stil angewandt?

Ja, das wird es. Nach den Vorbildern von Google, Linkedin oder Apple befürworten auch zunehmend deutsche Unternehmen das Konzept der achtsamen Führung. Konzerne wie BASF oder ABB stellen ihren Mitarbeitern einen Raum zur Verfügung, um gemeinsam zu meditieren, Atemübungen zu machen und ihre Wahrnehmung für den Augenblick zu schärfen. Viele andere Großkonzerne oder Vertreter des Mittelstands haben die Achtsamkeit für sich entdeckt und bieten spezielle Fortbildungen, Trainings oder Gruppen an. Im Fokus steht vor allem wie Berufstätige mit den Anforderungen des Arbeitsalltags umgehen. Bei Beiersdorf beispielsweise ist vereinbart, dass die Mitarbeiter ihre E-Mails nur dreimal täglich abrufen. Nach der Arbeit und an Wochenenden sind Nachrichten lesen und beantworten tabu.

Was muss man bei der Umstellung von einer “herkömmlichen” Führungsvariante zu der Mindful Leadership beachten?

Mindfulness dürfte für einige Führungskräfte zunächst eine ungewohnte Einstellung darstellen. Für spürbare Fortschritte und eine langfristige Etablierung von Achtsamkeit sind regelmäßige Übung und Anwendung nötig. Es sollte immer das Unternehmensziel sein, langfristige Veränderungsprozesse anzuregen. Das funktioniert jedoch nur, wenn eine achtsame Einstellung in die Unternehmenskultur als Ganzes integriert wird. Wenn nur vereinzelt Mitarbeiter Achtsamkeitsübungen durchführen, bringt das vielleicht dem Einzelnen etwas Entlastung. Doch viele Probleme, die dem gesamten Team Kopfzerbrechen verursachen, haben strukturelle Ursachen.

Führungskräfte sollten hierbei eine Vorreiterrolle spielen, wenn sie Mindfulness in den Arbeitsalltag integrieren möchten. Wichtig ist die Methode nicht als Mittel zur Effizienzsteigerung zu missverstehen, sondern zu verstehen, dass sie tatsächlich dem Wohlbefinden und der Erholung der Mitarbeiter und damit dem Unternehmen insgesamt dient. Andernfalls könnten Unternehmen erleben, wozu eine bessere Selbstwahrnehmung der Mitarbeiter auch führt: Dass diese sich einfach nach einem anderen, weniger stressigen Job umsehen.

Was ist besonders wichtig, wenn man den Ansatz erfolgreich umsetzen will?

Die heutigen Herausforderungen der Digitalisierung und zunehmende Komplexität erfordern neue Führungsqualitäten, die Selbstvertrauen, Einfühlungsvermögen und bewusstes Leben und Arbeiten fördern. Gute Führung ist in erster Linie eine Frage der Qualität der dem Handeln zugrunde liegenden Bewusstseinsprozesse.

Deshalb sollte ein Mindful Leadership-Programm genau dort ansetzen: nämlich mit bewusster Selbststeuerung und Selbstmanagement. Dies erhöht unter anderem die mentale Präsenz und das Einfühlungsvermögen und stellt den Kontakt zu den eigenen und fremden Bedürfnissen (wieder) her und fördert die verantwortungsvolle Innovationskraft eines Unternehmens. Mindful Leadership transformiert unsere Arbeitsweise und gibt eine ganzheitliche, langfristige und demnach nachhaltige Orientierung auf dem Weg zu einer neuen agilen Arbeitswelt.

Herr Hoban, vielen Dank für das Interview.


Über Sean Hoban:
Sean Hoban ist Mitgründer und Geschäftsführer von Kimble Applications und verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung in der IT-Beratung. Gemeinsam mit Mark Robinson und David Scott gründete Sean Hoban 2010 Kimble, um Prozesse in projektbasierten Unternehmen sowie die Zusammenarbeit und Effizienz von Teams zu optimieren.


Bild: Kimble

 

 

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