Regionale Fachkräftesicherung: Beispiel Arbeitgebermarke Außerfern
Zunehmend sehen sich Regionen der Fachkräftesicherung verpflichtet. Politik und Verbände erkennen, dass die ansässigen Unternehmen kaum noch in der Lage sind, ihren qualifizierten Personalbedarf mit den Arbeitskräften vor Ort füllen zu können.

Nicolas Scheidtweiler
Senior-Berater und Geschäftsführer
Tel. +49 421 365 115 20
scheidtweiler@eb-now.de
Auf regionaler und lokaler Ebene entstehen von der EU, Bund und/oder Land geförderte Projekte, die sich dann beispielsweise wie im Außerfern Reutte als Arbeitgebermarke bezeichnen.
Aber: Wer Fachkräfte für ländliche Räume gewinnen und halten will, braucht ein zweistufiges Konzept. Eine regionale Arbeitgebermarke ist dahingehend irreführend.
Denn selbst wenn die Region im Kopf potenzieller Fachkräfte präsent ist, müssen die Betriebe vor Ort selbst als Arbeitgeber attraktiv werden.
Der Begriff Arbeitgebermarke Außerfern
Die Marketing Reutte GmbH hat sich für ihr Projekt für den Begriff Arbeitgebermarke Außerfern entschieden. Das Projekt fällt unter das Leader-Programm der Europäischen Union. Das Volumen beträgt rund 67.000 Euro.
Jedoch müsste das Projekt eher Regionalmarketing, Fachkräftesicherung oder Fachkräftegewinnung für die Region Außerfern Reutte heißen.
Denn eine Arbeitgebermarke (Employer Brand) ist die inhaltliche, organisatorische und kommunikative Ausgestaltung eines Arbeitgebers. Sie setzt sich zusammen aus Identität und Image.
Diese bilden die individuelle Attraktivitätsfaktoren eines einzelnen Unternehmens ab. Dazu zählen Benefits und Motivatoren, die für Wunschkandidaten einen Nutzen stiften, indem sie deren Bedürfnisse z.B. nach Sicherheit, Komfort oder Prestige erfüllen und so einen Nutzen stiften. Im Kern steht die Positionierung am – meist lokalen – Arbeitsmarkt, um sich vom (lokalen) Wettbewerb abzugrenzen.
Dazu bedarf es der konkreten Definition der Candidate Persona mit ihren demographischen Aspekten sowie funktionaler, sozialer und kultureller Fähigkeiten und Einstellungen. Dies kann ausschließlich auf unternehmensindividueller Ebene erfolgen, da sich schon allein die funktionalen Kompetenzen vom Industrie-Ingenieur zur Gastronomie-Mitarbeiter objektiv unterscheiden.
Das Image auf Makro-Ebene
In der Region Außerfern gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher großer und kleiner Arbeitgeber, unterschiedlichste Branchen, unterschiedlichste Unternehmenskulturen, unterschiedlichste Organisationsformen, unterschiedliche Arten von Hierarchien, unterschiedliche Benefits. Und das muss in einer Arbeitgebermarke abgebildet werden.
Eine Wirtschaftsförderung oder eine Regionalentwicklung wie im Außerfern in Reutte kann maximal die Vorzüge einer Arbeitsregion in ihrer Gesamtheit auf Makroebene darstellen.
So setzt das von bekannten, großen Arbeitgebern wie dem Industrieunternehmen Plansee oder dem Spiele-Verlag Plaion initiierte Projekt zur Image-Steigerung des Außerfern bei potenziellen Mitarbeitern auf der Makro-Ebene an.
Es soll aufzeigen, wie attraktiv und lebenswert Reutte und seine Umgebung seiner Gesamtheit ist. Durch die Gewinnung von externen Fachkräften soll der War for Talents zwischen den Arbeitgebern vor Ort minimiert werden, indem der Pool von Talenten vergrößert wird.
Arbeitgeberattraktivität ist individuell
Jedoch sind die Unternehmen unterschiedlich aufgestellt, was die Personalgewinnung und -bindung angeht.
Einerseits weil die Positionierung und die Angebote sich unterscheiden, andererseits weil die Zielgruppen-Kompetenzen und -Bedürfnisse sehr divers sind.
In der Region gibt es Arbeitgeber, die sehr weit im Employer Branding sind. Aber auch viele Arbeitgeber, die in dem Bereich noch nicht so weit sind, nur wenige Schritte im Bereich Arbeitgeberattraktivität, Personalmarketing oder Recruiting gegangen sind.
Ein Fachkräfteprojekt für eine Region muss dies berücksichtigen.
Denn auf Makro-Ebene besteht zunächst ein starkes, übergreifendes Marketing, das die Region als attraktiven Lebens- und Arbeitsort positioniert – mit klaren Botschaften, einer einheitlichen Sprache und gezielter Sichtbarkeit über alle relevanten Kanäle hinweg.
Es geht darum, Aufmerksamkeit zu schaffen, Vertrauen aufzubauen und ein positives Gesamtbild der Region zu vermitteln.
Aber das ist nicht für alle Arbeitgebermarken auf Mikro-Ebene möglich.
Kongruenz der Arbeitsregion
So wird das auf Makro-Ebene dargestellte Image konterkariert, wenn dann die auf Mikro-Ebene erlebte Identität nicht den Erwartungen der gewonnenen Fachkräfte entspricht.
Eine erneute Abwanderung oder Unzufriedenheit droht. Denn wenn fremde Zuwanderer in die Region ziehen und bestimmte Aspekte erwarten, die auf regionaler Marketing-Ebene versprochen werden, dann aber nicht auf betrieblicher Ebene erfüllt werden, entsteht Enttäuschung und ein Reputationsschaden.
Grundsätzlich sind die meisten regionalen Fachkräftesicherungs-Konzepte auf Makro-Ebene gut aufgestellt.
Im Zusammenspiel mit einer Agentur können mit den bekannten geringen Budgets für derartige Projekte zielorientierte Kommunikationsmaßnahmen geplant und umgesetzt werden. Das zeigt die Arbeitgebermarke Außerfern an unterschiedlichen Kontaktpunkten. Die Innsbrucker Marketing-Agentur P8 hat dahingehend mit der Kampagne „Das Außerfern – Deine Zukunft ganz nah“ gute Arbeit geleistet.
Aber es fehlt bisher am Wissen auf Mikro-Ebene.
Employer Branding-Know-how für Arbeitgeber im Außerfern
In einem weiteren Schritt ist es notwendig, dass die regionalen Arbeitgeber von klein bis groß, aller unterschiedlicher Branchen und betrieblicher Ziele, Know-how aufbauen, um überhaupt Wunschbewerber zu definieren, deren Bedürfnisse zu erkennen und die Organisation und Angebote darauf auszurichten.
Erfolgreiches Employer Branding bedeutet, die inneren Strukturen – von der Führung bis zur Unternehmenskultur – auf eine zukunftsfähige Mitarbeiterbindung auszurichten und zu kommunizieren.
Eine Seminar-Reihe, wie die von Employer Branding now initiierte „Fachkräftesicherung Wesermarsch“ ist sinnvoll. In diesem Angebot mit vier kompakten Seminaren konnten Arbeitgeber ihre Identität überprüfen und lernen, wie sich das Image effizient kommunizieren lässt.
Nach aktuellem Stand des Projektes „Arbeitgebermarke Außerfern“ wird das benannte Budget nicht für die Aus- und Weiterbildung der Arbeitgeber in der Region reichen, um attraktiv für unterschiedliche Zielgruppen zu werden und auch selbst in der Lage zu sein, Kandidatinnen und Kandidaten für das Unternehmen anzusprechen.
Denn die Kombination beider Ebenen (Makro und Mikro) ist entscheidend: Das Regionalmarketing öffnet Türen, individuelles Employer Branding sorgt dafür, dass Fachkräfte auch bleiben wollen.
Erst so entsteht eine wirksame Fachkräftestrategie, die nicht auf eine Image-Kommunikation setzt, sondern auf systematische Entwicklung der Kompetenzen aller Akteure – im Sinne der gesamten Region.
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