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Nudging für die Mitarbeitergesundheit, Mathias Krisam im Interview

Nudging für die Mitarbeitergesundheit und Employer Branding - Mathias Krisam im Interview

Wie können Gesundheitsangebote eines Arbeitgebers mehr Mitarbeiter erreichen? Nudging ist eine Option, die zunehmend eine aktive Verhaltenssteuerung in den Fokus rückt.

Dr. med. Mathias Krisam ist Arzt und Verhaltenswissenschaftler. Er gründete die Kommunikationsagentur läuft. und arbeitet als Gastwissenschaftler an der Charité Berlin. Ziel seiner Arbeit ist der Einsatz verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse in Gesundheitsförderung und Gesundheitsversorgung.

Aktuell ist sein Buch "Nudging für ein gesundes Unternehmen" bei Springer Gabler erschienen. Dort stellt Krisam kompakt das Prinzip seiner Forschung für die Praxis vor.

Im Interview spricht der Experte über die Herausforderungen, Chancen und Risiken des Nudging und wie Arbeitgeber das Prinzip anwenden können.


Herr Dr. Krisam, wie sind Sie auf das Thema Nudging gekommen?

Während meines Medizinstudiums arbeitete ich als Studentische Hilfskraft am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in einer Arbeitsgruppe zu „Adaptiver Rationalität“. Hierüber kam ich in Kontakt mit den aktuellsten Erkenntnissen und Theorien der Verhaltenswissenschaften und Entscheidungspsychologie.

Nudging war eines der Konzepte, welches mich dann sehr packte. Ich las den Bestseller von den Begründern Thaler und Sunstein und die Ideen sprudelten nur so in mir, wie wir dieses Konzept in der Gesundheitsförderung und Prävention einsetzen konnten. Mir war das Problem der Sozialen Selektion in der Gesundheitsförderung bewusst, dass wir also häufig nur diejenigen erreichen, die ohnehin schon gesundheitsbewusst sind.

Im Nudging sah ich die Chance, über automatische Muster und eben nicht edukative, rationale Aufklärung, noch viel mehr Menschen auf dem Weg zu einem gesünderen Leben zu unterstützen. Das war 2015, als es noch so gut wie keine deutschsprachige wissenschaftliche Literatur zu dem Thema gab. Also schrieb ich mit zwei Ko-Autoren einen Einführungsartikel darüber, der in der Fachzeitschrift „Gesundheitswesen“ veröffentlicht und seitdem schon sehr häufig zitiert wurde.

Warum bedarf es eines besonderen Fokus für Arbeitgeber auf das Nudging in der Gesundheit?

Nudges wirken sehr, sehr einfach und unter sehr geringem Ressourceneinsatz. Wer das Konzept einmal verstanden hat, schätzt das sehr. Durch kleine Änderungen an der sogenannten Entscheidungsarchitektur kann ich meine Mitarbeiter dazu bringen, dass sie sich im Alltag etwas mehr bewegen, etwas gesünder ernähren, eher auf ihr seelisches Wohlbefinden achten, eher bereit für Veränderungen generell sind. Das zahlt sich aus!

Gleichzeitig wenden wir hier noch viel zu wenig Erkenntnisse aus der Verhaltenswissenschaft an. Wir gehen implizit immer noch vom Bild des ‚Homo oeconomicus‘ aus, der rein rational denkt und handelt: Wir müssen ihm also nur genügend Informationen zur Verfügung stellen und schon handelt er im besten Interesse. Ein kritischer Blick auf eigene Verhaltensweisen und Entscheidungen macht deutlich, dass wir Menschen so aber nicht ticken.

Und hier ist Nudging bzw. das ganze Feld der Verhaltenswissenschaften eine hervorragende Möglichkeit!

Wo liegen weitere Anwendungsgebiete für das Nudging im Bereich Personal?

Das ganze Thema Change Management spielt natürlich eine große Rolle. Überall, wo wir neue Verhaltensweisen anstoßen möchten, hilft das Wissen der Verhaltenswissenschaften.

In der Kommunikation nach innen und außen (Stichwort Employer Branding) sollten Sie wissen, wie Menschen ticken, damit Sie auch wirklich Ihre Zielgruppe erreichen und diese die von Ihnen gewünschte Handlung ausübt.

Welche Instrumente stehen dabei zur Verfügung?

Ich arbeite mit meiner Kommunikationsagentur läuft. und mit unseren Kunden eigentlich immer nach den Prinzipien des AEIOU-Modells. Das steht für

  • Attraktive Ansprache
  • Einfachheit
  • Incentivierung
  • Orientierung
  • Unmittelbarkeit

Dahinter verbergen sich mehr als 20 verhaltenswissenschaftlich etablierte Instrumente, die wir je nach Aufgabenstellung und Status Quo einsetzen. Das Modell habe ich im vergangenen Jahr mit einer Kollegin auch wissenschaftlich publiziert.

Wie gehen Sie mit Vorwürfen um, dass Nudging eine Beeinflussung erwachsener Menschen gegen ihren Willen ist?

Der Aspekt der Manipulation wird ja immer wieder genannt. Und im Grunde genommen kann ich immer wieder nur das Gleiche antworten:

  1. Wir müssen uns bewusst machen, dass wir immer einem bestimmten Design und einer bestimmten Entscheidungsarchitektur ausgesetzt sind, die Einfluss auf unser Verhalten hat. Warum designen wir sie dann nicht gleich so, dass wir alle besseren Entscheidungen treffen. Wichtig: Die Wahlfreiheit muss immer erhalten bleiben – sonst ist es kein Nudge.
  2. Wir können offen darüber reden, welche Maßnahmen wir eingesetzt haben und genauso transparent, welche Ziele wir damit verfolgen. Tatsächlich empfehle ich Arbeitgebern immer wieder, das dann gar nicht unbedingt als ‚Nudge‘ zu deklarieren, sondern einfach zu beschreiben, was getan wurde.
  3. Das bringt mich zum nächsten Verweis: Eine quasi repräsentative Umfrage, die wir mit 1.000 Deutschen durchgeführt und ebenfalls wissenschaftlich publiziert haben: Mehr als 90 % der Befragten steht Nudges zur Gesundheitsförderung positiv oder neutral gegenüber. Die große Mehrheit befürwortet also diesen Ansatz.
  4. Nudges schließen zudem ergänzende empowernde Maßnahmen nicht aus. Es geht darum, je nach Aufgabenstellung die richtige Kombination zu finden.

Wie sehen Sie die Zukunft des Nudging?

Ich hoffe darauf, dass in Zukunft Gesundheitsmaßnahmen viel stärker auf verhaltenswissenschaftlichen Prinzipien fußen. Da haben wir wirklich noch großes Ausbaupotential, um dies auf allen Ebenen zu verbessern. Und es geht so einfach. Doch dazu mehr im Buch.

Herr Dr. Krisam, vielen Dank für das Gespräch!

 

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Fragen: Nicolas Scheidtweiler / Vernetzen bei Linkedin


 

 

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