Mitarbeitermobilität als Benefit, Interview mit Marcus Hennecke
Die Art, wie Mitarbeitende heute mobil sind, hat sich grundlegend verändert – und mit ihr die Erwartungen an Arbeitgeber.
NICOLAS SCHEIDTWEILER
Senior-Berater und Geschäftsführer
Tel. +49 421 639 350 29
scheidtweiler@eb-now.de
Dienstwagen allein reichen vielen längst nicht mehr: Jobrad, Bahncard, Carsharing oder Mobilitätsbudgets werden zu echten Entscheidungskriterien bei der Arbeitgeberwahl.
Für Unternehmen wird Mobilitätsmanagement damit zum strategischen Faktor des Employer Branding – es beeinflusst, wie attraktiv ein Arbeitgeber wahrgenommen wird und wie gut er Fachkräfte gewinnt und bindet.
Marcus Hennecke, Gründer von Hennecke Fleet Consulting, berät seit vielen Jahren Unternehmen bei der Entwicklung moderner Fuhrpark- und Mobilitätsstrategien. Im Gespräch mit Nicolas Scheidtweiler erklärt er, wie Mobilität zum Benefit mit Mehrwert wird, welche organisatorischen und kulturellen Hürden es gibt – und warum ein durchdachtes Mobilitätskonzept nicht nur Mitarbeitende begeistert, sondern auch Kosten senken und Nachhaltigkeit fördern kann.
Herr Hennecke, was bedeutet moderne Mitarbeitermobilität?
Moderne Mitarbeitermobilität ist mehr als Auto, Bahn und Flugzeug.
Neben klassischen Dienstwagen kommen Jobrad, Auto-Abo, Carsharing, Ride-Hailing und E-Scooter hinzu. „Königsklasse“ ist ein Mobilitätsbudget, das Mitarbeitenden echte Wahlfreiheit gibt: Im einen Monat mehr Bahn, im nächsten ein Mietwagen oder das Fahrrad – je nach Bedarf.
Das erhöht Zufriedenheit, passt zu unterschiedlichen Lebenslagen und zeigt, dass der Arbeitgeber zeitgemäße, flexible Angebote macht.
Wie unterscheiden sich Bedürfnisse in der Belegschaft?
Die Bandbreite ist groß.
Im ländlichen Raum ohne ÖPNV bleibt der Pkw oft alternativlos – und ist kulturell verankert.
In urbanen, jungen Teams genügt vielen ein ÖPNV-Ticket plus gelegentlicher Mietwagen für den Urlaub. Führungskräfte mit sehr spezifischen Präferenzen wollen teils keinen Dienstwagen aus der Car-Policy, andere – etwa junge Familien – brauchen eher einen Van.
Kurz: Unternehmen, Region und Lebensphase prägen die Mobilitätsbedürfnisse – und genau das macht Mobilität komplex.
Welche Rolle spielt noch der Dienstwagen?
Ja – der Dienstwagen ist weiterhin wichtig.
Auch bei Funktionsfahrzeugen, also Arbeitsmitteln für Service und Vertrieb, besteht eine starke Bindung: Welches Modell man fährt, macht einen Unterschied.
Gleichzeitig sind die Erwartungen insgesamt gestiegen: Die Angebotsvielfalt von Jobrad bis Auto-Abo hat die Messlatte erhöht – und damit die Erwartungshaltung an Arbeitgeber.
Welche Trends sehen Sie auf Unternehmensseite?
Mobilitätskonzepte sind in aller Munde – auf Messen und in Fachmedien.
In der Praxis setzen bislang aber eher wenige Unternehmen ein wirklich integriertes Angebot um.
Pioniere wie SAP zeigen, wie es umfassend funktionieren kann. Häufiger sieht man Einzelbausteine wie Jobrad oder Deutschlandticket.
Das ist gut – aber noch nicht das volle Potenzial eines Mobilitätskonzepts.
Wo liegen die größten Herausforderungen bei modernen Mobilitätskonzepten?
Erstens technisch-organisatorisch: Mehr Anbieter, mehr Prozesse, komplexere Abrechnung (Stichwort geldwerter Vorteil) und dynamische Märkte.
Gute Software hilft – ob von großen Anbietern aus Bahn- oder Mietwagenumfeld oder unabhängige Lösungen wie die bekannten Mobilitätsbudget-Plattformen.
Wichtig: Ohne solides, prozessorientiertes Fuhrparkmanagement als Basis scheitert jedes Mobilitätsbudget.
Zweitens kulturell: Change-Management ist Pflicht. Es braucht Wahlfreiheit und klare Kommunikation – niemandem sollten Lösungen „übergestülpt“ werden.
Gerade beim Parallelprojekt Elektromobilität ist das spürbar: Ladelösungen, Lieferanten, Prozesse – all das kostet Kapazität.
Viele Unternehmen priorisieren derzeit Elektro-Umstellungen, weil der Handlungsdruck höher ist; Mobilitätsangebote folgen oft nachgelagert.
Wo treffen Fuhrpark und HR aufeinander – und wo reibt es?
Klassisches Fuhrparkmanagement liegt selten in HR, sondern bei Einkauf, Finanzen oder eigenständig.
Mobilitätskonzepte kommen dagegen aus Compensation & Benefits. Unterschiedliche Ziele und Sprachen treffen aufeinander – das macht Governance, Policy und Umsetzung anspruchsvoll.
Erfolgreich sind die Unternehmen, die beide Welten orchestrieren.
Was macht Mobilität zu einem echten Bindungs-Tool?
Drei Punkte:
- Wollen statt Müssen: Angebote müssen zum Unternehmen und zu den Mitarbeitenden passen.
- Stabile Basis: Funktionierende Fuhrparkprozesse sind Grundvoraussetzung.
- Klarer Fahrplan: Zukunftsbild, Roadmap in Etappen, Mobilitätspolicy (inkl. Schnittstellen zu Dienstwagen- und Reisekostenregelungen), passende Technologie – und Top-Management-Support.
Ohne Führung „von oben“ bleibt es ein Strohfeuer.
Wie wirkt Nachhaltigkeit konkret – jenseits von CO₂-Debatten?
Nachhaltigkeit ist auch betriebswirtschaftlich: Weniger Fahrzeuge und weniger Kilometer senken Kosten am stärksten – stärker als das letzte Prozent im Einkauf.
Ein kluges Mobilitätskonzept hilft, je nach Aufgabe das effizienteste Verkehrsmittel zu wählen.
Das verbessert die Klimabilanz und die Kostenstruktur – bei gleichzeitig höherer Mitarbeiterzufriedenheit.
Blick in die Zukunft: Wo stehen wir in zehn Jahren?
Kurzfristig wächst die Angebotsvielfalt – Mitarbeitende nutzen mehr Optionen.
Mittelfristig könnten Homeoffice, Automatisierung und Demografie die Gesamtnachfrage nach Mobilität wieder dämpfen.
Für Leistungsträger steigt der Wert individueller Mobilität – damit auch der Anspruch an maßgeschneiderte Benefits.
Denkbar ist zudem, dass sich das mitteleuropäische Dienstwagenmodell an internationale Gepflogenheiten annähert und insgesamt kleiner wird.
Wie stark diese Trends wirken, wird die Praxis zeigen.
Marcus Hennecke, vielen Dank für Ihre Antworten!
Über Marcus Hennecke:
Marcus Hennecke ist Gründer von Hennecke Fleet Consulting (seit 2019) und Partner der internationalen Beratungsgruppe fleetcompetence.
Zuvor verantwortete er u. a. internationale Aufgaben bei TÜV SÜD (u. a. in Südafrika), Fleet Logistics, beim Fuhrparksoftware-Anbieter Avrios und im Telematik-Datenumfeld (CARUSO).
Er lebt bei Augsburg und berät Unternehmen in Deutschland sowie international.
Zum Video: Das Interview mit Marcus Hennecke
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