Je nach Unternehmen und Branche unterscheiden sich Anforderungen an die Art der Führung. Mal gibt es mehr Probleme, mal weniger.

Die in der Überschrift gestellte Frage wurde uns in der Vergangenheit gelegentlich gestellt. Doch sie trifft einen Kern, den viele Organisationen im Employer Branding beschäftigt: Führung ist nicht nur eine Frage von Organisation, sondern Ausdruck gelebter Kultur. Und sie stellt besondere Herausforderungen.
Dabei prägt sie das Innenbild eines Arbeitgebers ebenso wie das Außenbild – gespiegelt durch die Erfahrungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wer führen kann, ist attraktiv – nicht nur in seiner Identität, sondern auch im Image.
Führung – Dreh- und Angelpunkt der Arbeitgeberidentität
Führung ist kein Add-on in der Personalentwicklung, sondern eine strukturelle und emotionale Säule der Arbeitgebermarke. Sie beeinflusst, wie Werte im Alltag erlebt werden, wie Konflikte gelöst, Entscheidungen getroffen und Verantwortung geteilt wird.
In unseren Projekten stellen wir regelmäßig fest: Führung entscheidet maßgeblich darüber, ob sich Beschäftigte mit ihrem Arbeitgeber identifizieren – oder innerlich kündigen. Und sie beeinflusst massiv, welche Geschichten über den Arbeitgeber erzählt werden – im Kollegenkreis, im Bewerbungsgespräch, auf Kununu.
Ein vertiefender Blick auf die Zusammenhänge zwischen Unternehmenskultur und Führung zeigt: Wer gute Führung nicht als Teil der Kultur versteht, verliert Mitarbeitende – und Talente.
Branchenvergleich: Autarkie braucht keine Hierarchie
In unseren Projekten sehen wir immer wieder: Führung wirkt je nach Branche unterschiedlich. In der IT, im Consulting oder in der Softwareentwicklung ist Führung kaum Thema.
Warum? Weil dort Autonomie herrscht. Mitarbeitende arbeiten eigenverantwortlich, remote, projektbasiert. Führung wird hier nur dann relevant, wenn sie stört.
Anders im öffentlichen Dienst, im Sozialwesen oder in pädagogischen Kontexten. Hier ist Führung unverzichtbar. Prozesse sind komplex, persönliche Nähe ist Alltag, emotionale Belastung hoch. Wo hier Führung fehlt, eskalieren Konflikte – oft leise, manchmal laut.
Die Folge: Motivationsverluste, Fluktuation, Fachkräftemangel.
Wer Employer Branding und Führung zielgruppengerecht denkt, kommt daher an der Entwicklung von Candidate Personas nicht vorbei. Hieraus ergeben sich Antworten, wie Menschen arbeiten wollen.
Narrative Interviews offenbaren Führungslücken
In unserer Arbeit mit narrativen Fokusgruppen-Interviews taucht dieser Unterschied regelmäßig auf.
Diese Methode zielt nicht auf Bewertungen, sondern auf Erfahrungen:
- Wie war der letzte Kontakt mit der Führungskraft?
- Wie verlief die Projektabstimmung im Team?
- Was war der beste Moment im Arbeitsalltag?
Durch die Erzählungen entsteht ein realistisches Bild der gelebten Kultur.
In Digitalbranchen tritt Führung dabei oft in den Hintergrund – nicht, weil sie nicht stattfindet, sondern weil sie keine Störquelle ist.
In sozialen Organisationen hingegen erzählen Beschäftigte oft von unklaren Entscheidungen, Überlastung durch mangelnde Führung oder Konflikten, die durch Führungsversäumnisse eskalierten.
Diese Methode ist Teil des Konzeptes um Identität und Image einer Arbeitgebermarke zu analysieren. Dr. Helga Pelizäus erläutert im Interview, worauf es ankommt.
Führung als Schlüssel für Motivation und Bindung
Gerade in den Kontexten, in denen Führung entscheidend ist – Pflege, Bildung, Verwaltung, Non-Profit –, braucht es klare Konzepte. Nicht jeder gute Facharbeiter ist automatisch eine gute Führungskraft.
Es braucht systematische Entwicklung, klare Rollenerwartungen und Unterstützung im Führungsalltag. Nur so können Führungskräfte die Bedürfnisse ihrer Teams erkennen und erfüllen – und damit die Attraktivität des Arbeitgebers nach innen wie außen steigern.
Daher ist Führungskräfteentwicklung ein strategischer Erfolgsfaktor.
Fazit: Führung entscheidet – immer
Aber zurück zur Ausgangsfrage: Gibt es Arbeitgeber ohne Führungsprobleme?
Ja – dort, wo Führung kaum notwendig ist, weil Autonomie strukturell verankert ist.
Doch überall sonst ist Führung entscheidend: für Produktivität, Motivation und Identifikation. Arbeitgeber ohne klares Führungsverständnis haben kein kulturelles Rückgrat – und keine Zukunft im Wettbewerb um Talente.
Führung ist kein Zusatz zum Employer Branding. Sie ist zentraler Aspekt der Arbeitgeberattraktivität.
Video: Über Führungsprobleme
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