Diversität: Attraktiv für Mitarbeiter – und Kunden, Interview mit Dr. Kimberley Nei

Diversität ist heute rechtlich wie gesellschaftlich ein relevanter Faktor für unternehmerische Entscheidungen. Dabei spielen unterschiedliche Aspekte eine Rolle.

NICOLAS SCHEIDTWEILER
Senior-Berater und Geschäftsführer
Tel. +49 421 365 115 20
scheidtweiler@eb-now.de

Im Interview erläutert Dr. Kimberley Nei, welche Schlüsselfaktoren Diversität beinhaltet und worauf es bei der Zielerreichung ankommt.

Mit ihrer jahrelangen Erfahrung in der Konzeption und Umsetzung von Assessment-basierten Auswahl- und Entwicklungsprojekten für nationale und internationale Kunden bereichert die Interviewpartnerin als Director of Talent Analytics den führenden Anbieter von forschungsbasierter Persönlichkeitsdiagnostik und Führungsberatung Hogan Assessments, bereits seit 2013. 

Hogan’s Assessmentlösungen stehen in 57 Ländern und 46 Sprachen zur Verfügung.

Dr. Nei, wie definiert man Diversität und was sind die Schlüsselfaktoren?

Diversität betrifft alle Arten, in denen sich Menschen voneinander unterscheiden. Wir beschreiben üblicherweise Dinge wie ethnische Zugehörigkeit, Alter, Geschlecht, aber wir sollten unsere Definition erweitern und auch Nationalität, Religion, Einschränkungen, sexuelle Orientierung, sozioökonomischer Status, Bildungsniveau, Familienstand, Sprache und körperliche Erscheinung aufnehmen. Darüber hinaus umfasst Diversität auch Unterschiede bei Ideen, Überzeugungen, Perspektiven und Werten.

Manche Organisationen beginnen, auf zweidimensionale Weise über Diversität nachzudenken. Dies beinhaltet die inhärente und die akquirierte Diversität. Inhärente Diversität ist ein Attribut, mit dem man geboren wird (z. B. Geschlecht) und akquirierte Diversität umfasst Charakteristiken, die durch Lebenserfahrungen entwickelt wurden (z. B. Armut). Zweidimensionale Diversität berücksichtigt sowohl inhärente als auch akquirierte Attribute der Diversität.

Welche Vorteile bietet Diversität?

Ein Unternehmen mit einer diversen Belegschaft, die die arbeitende Bevölkerung allgemein widerspiegelt, reflektiert auch die Diversität seiner Kunden- oder Marktbasis. Kunden aus Minderheiten haben eine beträchtliche Kaufkraft und erwarten, sich selbst in den Unternehmen wiederzufinden, von denen sie kaufen. Wie Untersuchungen von Scott Page nahelegen, führt das Einbeziehen von einzigartigen Perspektiven auch zu einer Produktivitätssteigerung und besseren Problemlösungen.

Wir haben gesehen, wie sich diese Vorteile auf das Endergebnis von Unternehmen auswirken, insbesondere bei Diversität in den Führungsebenen eines Unternehmens. So hat zum Beispiel eine Studie der Harvard Business Review 2018 herausgefunden, dass Unternehmen, die Wert auf Diversität legen, um 19 Prozent höhere Innovationserlöse hatten. Auf ähnliche Weise fand McKinseys Bericht „Diversity Wins“ 2019 heraus, dass Unternehmen mit höherer Geschlechter- und ethnischer Diversität in der Führungsebene besser abschneiden als Unternehmen mit weniger Diversität. Im Vergleich mit den Unternehmen, die bei Diversität in den Führungsteams im vierten Quartil liegen, erzielten die Unternehmen im oberen Quartil für Geschlechter- und ethnische Diversität mit 25 Prozent bzw. 36 Prozent Wahrscheinlichkeit eine überdurchschnittliche Profitabilität.

Außerdem gilt: je stärker die Vertretung von Frauen, desto größer sind die Ergebnisse. Unternehmen mit einem Anteil von 30 Prozent weiblicher Führungskräfte übertrafen mit großer Wahrscheinlichkeit die Unternehmen mit einem geringeren Anteil. Diese wiederum konnten bessere Zahlen vorweisen als jene Unternehmen, in denen noch weniger Frauen vertreten waren. Tatsächlich werden zwar nur 5 Prozent der Fortune-1000-Unternehmen von Frauen geleitet, diese Unternehmen tragen jedoch 7 Prozent zum Gesamtumsatz der Unternehmen der Fortune-1000-Liste bei. Desweiteren hat die Harvard Business Review herausgefunden, dass Unternehmen mit zweidimensionaler Diversität in der Führungsetage mit 45 Prozent Wahrscheinlichkeit eher Marktwachstum erzielen und mit 70 Prozent Wahrscheinlichkeit im letzten Jahr einen neuen Markt erschlossen haben.

Wie setzt man Ziele für ein Unternehmen, um Diversität zu erreichen?

Es ist für jedes Unternehmen ideal, eindeutige Ziele zur Verbesserung der Diversität zu definieren. Wie in der Definition für Diversität beschrieben, müssen bei Diversität viele Dinge berücksichtigt werden. 

Als gute Faustregel gilt, die Diversität der arbeitenden Bevölkerung allgemein praktisch zu sondieren und zu versuchen, diese in der Belegschaft zu replizieren, insbesondere in der obersten Führungsebene. Wenn das Ziel nicht auf dem ganzen Weg nach oben erreicht wird, muss ein Unternehmen gegebenenfalls auch sondieren, warum das der Fall ist. Verliert das Unternehmen vielfältige Talente an einem wichtigen Wendepunkt oder muss es auf andere Art nach Führungstalenten suchen?

Als kurzfristiges Ziel können sich Unternehmen auch mit ihren Wettbewerbern in der Branche vergleichen und versuchen, sich für Diversität mehr zu öffnen als diese.

Wie lässt sich der Fortschritt messen?

Zusätzlich zur Messung der tatsächlichen Diversitätsrepräsentation können Unternehmen auch ihre Beschäftigten zu deren Ansichten zu Diversität im Unternehmen befragen. Die Beschäftigten müssen sehen, dass die Führung sich für Diversität und Inklusion („D&I“) engagiert. Viele Unternehmen nutzen eine Umfrage zum Engagement, um einen D&I-Index zu erstellen. Haben die Beschäftigten das Gefühl, dass die Führung sich verpflichtet fühlt, Diversität zu fördern? Erhalten diese Personen nach ihrer Einstellung Aufstiegsmöglichkeiten? Haben Sie das Gefühl, man hört auf sie? Untersuchungen zeigen, dass das Einbringen von Diversität und das Schaffen einer inklusiven Kultur, in der sich die Beschäftigten respektiert, geschätzt und wohlfühlen, zu einer höheren Unternehmensleistung führen kann. Beispielsweise schneiden Unternehmen mit überdurchschnittlicher Geschlechterdiversität und überdurchschnittlichem Engagement 46 – 58 Prozent besser ab als vergleichbare Wettbewerber.

Eine einfache Art der Erhöhung der Diversität in Ihrem Unternehmen ist die Nutzung von Auswahlinstrumenten, beispielsweise verwertbare Persönlichkeitsbewertungen, um Diversität bei Einstellungen zu fördern. So sind beispielsweise Hogans Bewertungen wie Human Personality Inventory  (HPI), der Hogan Development Survey (HDS) und das Motiv, Values, Preferences Inventory (MVPI) starke Hinweise auf Leistung, ohne aussagekräftige Unterschiede bei Untergruppen zu erzeugen. Das bedeutet, man kann diverse und leistungsstarke Talente identifizieren. Darüber hinaus können unsere Instrumente auch genutzt werden, um besser auf Inklusion bedachte Führungskräfte zu identifizieren.

Diversity-Management benötigt klare Ziele und darf nicht nur ein Selbstzweck in Unternehmen, Verbänden und Behörden sein. Worauf es ankommt, zeigt unser Artikel.

Welche Konsequenzen ergeben sich für den Arbeitgeber und das Recruiting?

Unternehmen kämpfen um Talente, um für die Besten attraktiv zu sein und diese zu halten. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen wollen für Unternehmen arbeiten, die Diversität in der Führungsebene aufweisen und sich verpflichtet fühlen, Diversität und Inklusion weiter zu erhöhen. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage von Intel zeigt, dass dies insbesondere für junge Talente gilt. Mehr als die Hälfte der Menschen im Alter von 18 bis 24 und 25 bis 35 gaben an, dass sie zögern würden, in einem Unternehmen zu arbeiten, in dem es an Diversität und deren Repräsentation in der Führungsebene fehlt.

In ähnlicher Weise legt eine kürzlich durchgeführte Umfrage von Glassdoor nahe, dass 67 Prozent der Arbeitssuchenden Diversität als einen entscheidenden Faktor betrachten, wenn sie Stellenangebote in Erwägung ziehen. Dies deutet darauf hin, dass Unternehmen mit mehr Diversität dies als Wettbewerbsvorteil darstellen können, insbesondere, wenn sie sich mit Wettbewerbern in ihrer Branche vergleichen, und den Kampf um Talente gewinnen.

Welche potenziellen Nachteile ergeben sich aus dem Ziel, die höchstmögliche Diversität in Unternehmen zu erreichen?

Der größte potenzielle Nachteil bei der Einführung von mehr Diversität ist der Verlust genau dieser Vielfalt, wenn sich das Unternehmen nicht gleichzeitig auch um Inklusion kümmert. Tatsächlich ist es recht einfach, vielfältige Talente einzustellen. Es ist viel schwieriger, dieses Talent zu halten und seinen Weg an die Spitze zu beschleunigen. Wenn Unternehmen nicht daran arbeiten, auch eine Kultur der Inklusion zu erschaffen, werden sie diese Diversität wieder verlieren. 

In vielen Fällen ist dafür ein kultureller Wandel in einem Unternehmen erforderlich. Wenn sich ein Unternehmen diesem Wandel nicht verpflichtet, läuft es Gefahr, diverse Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen, Perspektiven und Ideen einzubringen, die nicht zur Unternehmenskultur passen und nicht gehört werden.

Wir sagen unseren Kunden oft, dass sie einen Wandel nicht einfach dadurch erzwingen können, indem sie eine Person einer neuen Art einbringen, ohne sich gleichzeitig auch um Veränderungen in den Denkweisen der Menschen im Unternehmen zu bemühen. Andernfalls läuft man Gefahr, dass der Körper das Implantat abstößt und schlussendlich ein Umsatzproblem entsteht.

Wie lassen sich die Nachteile minimieren?

Schließlich darf man nicht nur ein Lippenbekenntnis zu Diversität und Inklusion abgeben. Die Beschäftigten müssen sehen, dass die Führung sich für diesen Wandel engagiert. Tatsächlich können unausgereifte Versuche, Diversität und Inklusion zu verbessern, auch negative Auswirkungen haben. 

Einige Untersuchungen zeigen, dass beispielsweise das Einführen von Richtlinien, Schulungen und Auszeichnungen zum Thema Diversität, bei Männern die Illusion von fairen Entscheidungsfindungsprozessen für Minderheiten erzeugen können (d.h. die Einstellung: „wir haben ja etwas getan“). Dies kann dazu führen, dass Männer stark auf Diskriminierungsvorwürfe reagieren, weil sie eventuell davon ausgehen, dass alle Bedenken im Zusammenhang mit Diversität und Inklusion berücksichtigt wurden.

Hogans Instrumente können auch bei dieser Herausforderung helfen. Unsere Untersuchungen zeigen, dass Persönlichkeit genutzt werden kann, Führungskräften bei der Entwicklung ihres Inklusionsbewusstseins zu unterstützen. Unsere Bewertungen können genutzt werden, um wichtiges Feedback zu geben und Führungskräfte für eventuelle eigene Voreingenommenheit zu sensibilisieren, die ihre Diversitäts- und Integrationsbemühungen behindern könnte.

Dr. Nei, vielen Dank für das Interview.

Bildrechte: Dr. Kimberley Nei

Sie möchten mehr zum Thema erfahren?

Teilen Sie diesen Artikel:
LinkedIn
XING
X
WhatsApp
Telegram
Facebook

Weitere Artikel aus unserem Blog

Diane Zetzmann-Krien
An Führungskräfte werden im Unternehmen besondere Anforderungen gestellt. In der Vergangenheit waren diese eindeutig. Durch die Generation Y und ihre neuen Ansprüche verändert sich auch die Erwartung an die Nachwuchskräfteförderung. 
Hochschulmarketing als Konzept im Employer Branding
Hochschulmarketing sichert frühzeitig den Zugriff auf Talente. Das Konzept für die Zielgruppe „Studierende“, ergibt sich aus dem Employer Branding.
Deutschlandstipendium - Chance für Arbeitgeber - Employer Branding-Blog
Das Deutschlandstipendium bietet für Arbeitgeber im Recruiting Chancen. Durch Förderung von Studentinnen und Studenten entstehen frühzeitig Beziehungen.