Interview zur Outplacement-Beratung: Trennungen professionell gestalten

Das Thema Outplacement rückt immer stärker in den Fokus – nicht nur juristisch, sondern vor allem kulturell und strategisch.

Nicolas Scheidtweiler - Employer Branding now

NICOLAS SCHEIDTWEILER
Senior-Berater und Geschäftsführer
Tel. +49 421 639 350 29
scheidtweiler@eb-now.de

Trennungssituationen, Exit- und Austrittsgespräche gehören zu den meistgeklickten Inhalten im Employer Branding-Blog.

Kein Wunder – viele Unternehmen stehen aktuell vor Restrukturierungen, Standortveränderungen oder Portfolioanpassungen und müssen sich von Mitarbeitern trennen.

Gleichzeitig entscheidet sich gerade in diesen Momenten, wie eine Arbeitgebermarke wirklich wahrgenommen wird:

  • Wird fair und transparent kommuniziert?
  • Werden Betroffene begleitet und ernst genommen?
  • Bleibende Mitarbeiter behalten oder verlieren Vertrauen in Führung und Kultur?

Über genau diese Fragen spricht Nicolas Scheidtweiler mit zwei erfahrenen HR-Managern, die heute Unternehmen und Mitarbeiter in Outplacement-Prozessen beraten:
Folke Grigo und Steffen Buch. Beide kennen Massenentlassungen, Restrukturierungen und individuelle Kündigungen aus der Linienverantwortung – und aus der Rolle externer Berater von Nexus Ethica

Was verstehen Sie unter Outplacement – und warum wird es wichtiger?

Steffen Buch:
Outplacement beginnt technisch gesehen mit der Kündigung, geht aber weit darüber hinaus. Es beschreibt den Prozess, in dem ein Unternehmen sich von Mitarbeitern trennt – und diese nicht einfach nur kündigt, sondern aktiv beim nächsten beruflichen Schritt unterstützt. Idealtypisch begleiten wir Betroffene bis in die neue Stelle hinein – im besten Fall sogar bis zum Ende der Probezeit im neuen Unternehmen.

Outplacement wird aus zwei Gründen immer wichtiger: Zum einen wegen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der Häufigkeit von Restrukturierungen. Zum anderen, weil sich Unternehmen eine schlechte Trennungskultur schlicht nicht mehr leisten können. Wer 100, 200 oder 500 ehemalige Mitarbeiter hat, die schlecht über den Arbeitgeber sprechen, bekommt das im Recruiting und in der Reputation deutlich zu spüren.

Folke Grigo:
Mir persönlich gefällt der Begriff „Outplacement“ gar nicht – er klingt nach Aussortieren. Im Kern geht es aber um etwas anderes: um einen Übergang in neue Perspektiven. Menschen verlieren ihren Job, ja – aber sie gewinnen im besten Fall neue Klarheit, neue Energie und eine bessere Anschlussposition. Und Unternehmen bekommen die Chance, Trennungen fair, professionell und menschlich zu gestalten.

Wann sollte ein Unternehmen mit Outplacement beginnen?

Steffen Buch:
Im Idealfall deutlich früher, als viele denken. Outplacement sollte nicht erst ein Thema sein, wenn der Kündigungsbrief fertig ist, sondern bereits in der Phase, in der die Geschäftsleitung über Stellenabbau nachdenkt.

Je früher Outplacement in den Gesamtprozess der Restrukturierung integriert wird, desto größer ist der Nutzen:

Kommunikation lässt sich sauber planen,

Betriebsrat und Führungskräfte werden früh eingebunden,

Betroffene erleben, dass es einen klaren Plan gibt – und nicht nur „kalte“ Kündigungen.

Wer erst kurz vor den Gesprächen hektisch nach einem Outplacement-Anbieter sucht, verschenkt viel Potenzial.

Was gehört zu einem Outplacement-Prozess?

Folke Grigo:
Wir arbeiten im Kern mit drei Bausteinen – plus einem, der oft unterschätzt wird:

  • Orientierung:
    Zuerst geht es darum, den aktuellen Standort zu klären: Wo stehe ich? Was kann ich? Was will ich künftig tun? Viele Mitarbeiter waren fünf, zehn oder mehr Jahre im gleichen Unternehmen. Die haben sich lange nicht gefragt, wie ihr Profil eigentlich im Markt wirkt.
  • Positionierung:
    Dann schärfen wir das Profil. Wie sieht ein zeitgemäßer Lebenslauf aus? Wie kann ich mein LinkedIn-Profil sinnvoll aufbauen? Welche Kompetenzen, welche Erfolge, welche Schwerpunkte will ich in den Vordergrund stellen? Es geht darum, eine klare berufliche „Marke“ zu formulieren.
  • Aktivierung:
    Im dritten Schritt begleiten wir die konkrete Jobsuche. Wie gehe ich strategisch vor? Wie aktiviere ich mein Netzwerk? Wie bereite ich Gespräche vor – bis hin zum Sparring für Vorstellungsgespräche?
  • Mentale Stabilisierung:
    Darüber liegt immer ein mentaler Prozess. Selbstwert, Klarheit, Zuversicht – das sind keine „weichen“ Nebenthemen, sondern entscheidend. Wer innerlich komplett am Boden ist, tut sich extrem schwer, den nächsten Karriereschritt zu machen.

Steffen Buch:
Unsere Erfahrung zeigt: Gutes Outplacement hält nicht nur den Status quo der Karriere, sondern kann ihn sogar verbessern. Viele Teilnehmer finden nach der Kündigung einen Job, der besser zu ihren Stärken, Lebensumständen und Zielen passt – vorausgesetzt, sie gehen mit ausreichend Selbstvertrauen in diese Phase.

Welche Herausforderungen bringt Outplacement für Unternehmen mit sich?

Steffen Buch:
Die Kündigungen selbst sind im Gesamtbild oft nur ein kleiner Teil einer größeren Restrukturierung: Geschäftsmodell, Produktportfolio, Standorte, Zielkunden – alles kann betroffen sein.

Die große Gefahr: Der Trennungsprozess wird zum „Game Killer“.
Wenn Kündigungen schlecht vorbereitet sind, emotional eskalieren, rechtlich angreifbar sind oder viel zu viel interne Kapazität binden, leidet die gesamte Restrukturierung. Dann dreht sich alles nur noch um Konflikte und Rechtsstreitigkeiten – und nicht mehr um die Zukunft des Unternehmens.

Hier kommen wir als externe Partner ins Spiel: Wir übernehmen Struktur, Kommunikation und Begleitung der Entlassungen, damit sich Geschäftsführung und Management auf die strategischen Aufgaben konzentrieren können.

Folke Grigo:
Die größte Herausforderung für Arbeitgeber ist für mich der Mut zur Klarheit. In vielen Unternehmen wird das Thema Trennung sehr lange verdrängt: Entscheidungen werden herausgezögert, Kommunikation bleibt vage, Mitarbeiter spüren Unsicherheit, aber bekommen keine Einordnung.

Das hat direkte Auswirkungen auf die Kultur: Es gehen nicht nur Mitarbeiter, es bleiben auch viele – und die beobachten sehr genau, wie mit den Betroffenen umgegangen wird. Wer hier nicht klar, ehrlich und respektvoll kommuniziert, riskiert Vertrauensverlust bei allen, die bleiben.

Wie erleben Sie die Rolle der Personalverantwortlichen in Kündigungsprozessen?

Steffen Buch:
Ich bin jetzt seit fast drei Jahrzehnten in HR-Rollen unterwegs und kann klar sagen: An Kündigungen gewöhnt man sich nicht. Die Nacht vor einem Kündigungstag schlafe ich bis heute schlecht.

Früher habe ich gedacht: „Das muss doch irgendwann Routine werden.“ Heute sehe ich es anders. Dass es nie „leicht“ wird, ist ein wichtiges Signal – nämlich, dass man als Personaler noch nicht abgestumpft ist. Wer völlig emotionslos Kündigungen ausspricht, sollte diesen Job aus meiner Sicht nicht machen.

Das ist auch meine Botschaft an jüngere Kollegen:
Lernt, mit diesem Gefühl zu leben – versucht nicht, euch komplett zu verhärten. Empathie ist ein Teil der Profession, nicht ein Hindernis.

Folke Grigo:
Hinzu kommt: Viele Personaler führen solche Gespräche zum ersten Mal – und dann gleich in einem größeren Umfang. Die Emotionen auf beiden Seiten sind stark: Wut, Enttäuschung, Angst bei den Betroffenen – Unsicherheit, Anspannung, manchmal Schuldgefühle bei denen, die kündigen müssen.

Deshalb sind Trainings und Vorbereitung so wichtig – für HR genauso wie für Führungskräfte. Gute Gesprächsführung ist in solchen Situationen kein „Nice-to-have“, sondern entscheidend für den Verlauf und die spätere Zusammenarbeit mit denen, die im Unternehmen bleiben.

Welche typischen Reaktionen sehen Sie bei betroffenen Mitarbeitern?

Steffen Buch:
In Kündigungsgesprächen begegnen uns vor allem drei Reaktionsmuster:

  • Verletzter Stolz:
    „Wie kann es sein, dass ausgerechnet ich gehen muss?“ Dieses Gefühl, im eigenen Wert angegriffen zu sein, ist sehr häufig.
  • Existenzangst:
    Die Frage nach den finanziellen Folgen kommt meist schnell: Was bedeutet das für mein Einkommen, meine Familie, meine Verpflichtungen?
  • Gesichtsverlust:
    „Was denken meine Kollegen, mein Team, mein Umfeld?“ Die Sorge um das eigene Ansehen spielt eine große Rolle.

Als guter Personaler muss man erspüren, welcher Faktor gerade dominiert – und entsprechend reagieren:

Bei Existenzängsten brauchen Betroffene klare Informationen zu Kündigungsfristen, Abfindung, Arbeitslosengeld, Sperrzeiten.

Beim Thema Gesichtsverlust kann eine abgestimmte, vertrauliche Kommunikationslinie nach außen helfen („Wir trennen uns im gegenseitigen Einvernehmen“).

Folke Grigo:
Natürlich fallen viele Betroffene zunächst in ein Loch. Entscheidend ist, dass sie spüren: Sie werden nicht allein gelassen.

Wenn klar ist, dass es ein strukturiertes Outplacement-Angebot gibt, wenn erste Gespräche gut verlaufen, Kontakte zu neuen Arbeitgebern entstehen und die ersten Erfolgserlebnisse kommen – dann entsteht aus der Krise tatsächlich eine Chance. Wir sehen häufig, dass sich die Gesamtsituation der Menschen mittelfristig verbessert.

Wie sollten Exit- und Kündigungsgespräche vorbereitet und geführt werden?

Steffen Buch:
Das A und O ist Vorbereitung – fachlich und organisatorisch:

  • Wie lang ist die Kündigungsfrist?
  • Wie hoch ist das Gehalt?
  • Liegt ein befristeter oder unbefristeter Vertrag vor?
  • Welche Abfindungslogik gibt es?
  • Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten (Betriebsrat, besondere Schutzfristen etc.)?

Das sind Hausaufgaben, die vor dem Gespräch erledigt sein müssen.

Dann kommen die Rahmenbedingungen:

  • Welchen Besprechungsraum nutze ich?
  • Kann der Betroffene das Gebäude danach relativ unbeobachtet verlassen – oder möchte er bewusst noch ins Team zurück?
  • Wie gehe ich mit IT-Zugängen um – müssen sie direkt gesperrt werden oder gibt es abgestufte Lösungen?

Und schließlich die Gesprächsführung selbst: sachlich bleiben, auch wenn es emotional wird, Pausen zulassen, Tränen aushalten, Taschentücher bereithalten. Wichtig ist auch, anzuerkennen, dass die andere Person völlig unvorbereitet ist.

Oft teilen wir das Gespräch bewusst:

Im ersten Termin geht es vor allem um die klare Botschaft.

Im zweiten Termin – ein oder zwei Tage später – klären wir Fragen, Optionen und nächste Schritte.

So entsteht eher eine Begegnung auf Augenhöhe, obwohl die Ausgangssituation per se asymmetrisch ist.

Folke Grigo:
Ein großer Fehler besteht darin, Konflikte „wegmoderieren“ zu wollen. Gerade in Kündigungssituationen müssen Emotionen und Konflikte Raum haben. Nur dann kann man gemeinsam nach vorne schauen und Wege öffnen.

Unser Ziel ist immer: Würde bewahren, Klarheit schaffen, Optionen aufzeigen.

Welche Rolle spielen externe Berater im Outplacement-Prozess?

Folke Grigo:
Externe Berater bringen einen neutralen Blick in die Situation. Viele Betroffene sind ihrem bisherigen Arbeitgeber gegenüber nicht gerade positiv gestimmt – aber zu uns als Externe entsteht oft schneller ein Vertrauensverhältnis.

Wir können zwischen Unternehmen, Führungskraft, HR und den betroffenen Mitarbeitern vermitteln. Und wir nehmen Druck aus dem System, weil klar ist: Es gibt jemanden, der sich professionell und ausschließlich um die Begleitung der Trennung und die Zukunftsperspektive der Mitarbeiter kümmert.

Steffen Buch:
Für die Unternehmen bedeutet das: Sie gewinnen Kapazität für die eigentlichen Restrukturierungsthemen zurück – und reduzieren gleichzeitig das Risiko für Imageschäden und rechtliche Auseinandersetzungen.

Welche Kompetenzen braucht es für professionelles Outplacement?

Steffen Buch:
Auf der einen Seite steht die Rechtssicherheit:

  • Einbindung des Betriebsrats,
  • Regeln zu Massenentlassungen,
  • Schutzfristen (z. B. Schwangerschaft, Schwerbehinderung),
  • saubere Sozialauswahl und ihre Dokumentation.

Wer hier Fehler macht, riskiert teure Verfahren und lange Konflikte.

Folke Grigo:
Auf der anderen Seite braucht es eine klare Haltung: Mut zur Klarheit, Verantwortungsbereitschaft und das Verständnis, dass eine gute Trennung Teil guter Führung ist.

Wenn Management und HR beides mitbringen – rechtliche Kompetenz und menschliche Stärke – können Outplacement-Prozesse nicht nur Schaden begrenzen, sondern echte Brücken bauen: für das Unternehmen, für die Kultur und für die betroffenen Mitarbeiter.

Steffen Buch und Folke Grigo, vielen Dank für Ihre Antworten!

Über Folke Grigo und Steffen Buch

Steffen Buch arbeitet seit fast drei Jahrzehnten in verantwortlichen Personalfunktionen, unter anderem als Personalleiter in mittelständischen und größeren Unternehmen. In dieser Zeit hat er zahlreiche Restrukturierungen, Personalabbaurunden und Outplacement-Projekte begleitet. Als selbstständiger Berater bündelt er heute seine Erfahrung in maßgeschneiderten Paketen für Unternehmen, die Trennungsprozesse rechtssicher, professionell und gleichzeitig menschlich gestalten wollen.
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Folke Grigo war rund 20 Jahre in verschiedenen HR-Funktionen tätig, unter anderem bei Unternehmen wie Scout, Mister Spex und Zalando. Ihre Schwerpunkte lagen lange im Aufbau und Wachstum von Organisationen, bevor sie Restrukturierungen, Massenentlassungen und Kulturveränderungen verantwortete. Heute unterstützt sie Unternehmen und Fach- und Führungskräfte als selbstständige Beraterin in Trennungs- und Veränderungsprozessen – mit einem besonderen Fokus auf faire Kommunikation und individuelle Perspektivarbeit.
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