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Studienabbrecher: Emanzipierte Bewerbergruppen für die Ausbildung

  • Autor:  Nicolas Scheidtweiler

Employer Branding Blog: Iris Mainusch über Studienabbrecher als Auszubildende - Kurswechsel machen

Die Studierendenquote in Deutschland steigt weiter. Aber viele sind aus unterschiedlichen Gründen nicht für die akademische Laufbahn geeignet und suchen nach Alternativen. Für Arbeitgeber entstehen so Chancen für die Gewinnung von Azubis.

Iris Mainusch ist Projektleiterin beim Jobstarterplus-Projekt "Kurswechsel - machen! Flensburg". Dort arbeitet sie täglich mit Studienabbrechern und vernetzt sie mit Handwerksbetrieben. Über ihre Erfahrungen und Tipps für Arbeitgeber berichtet sie im Interview:

Frau Mainusch, die Initiative „Kurswechsel - machen!“ will dem Fachkräftemangel im Handwerk entgegenwirken. Seit wann gibt es die Initiative und wie erfolgreich schätzen Sie die Beratung für Studienabbrecher bisher ein?

Die Initiative bzw. das Projekt gibt es seit 1. Februar 2018. Es ist das Nachfolgeprojekt von „Kursänderung“, das von 01.02.2015 bis 31.01.2018 lief. Kuränderung war ein landesweites Projekt. Beide Handwerkskammern in Schleswig-Holstein, HWK Flensburg und HWK Lübeck, haben gemeinsam in dem Projekt gearbeitet. „Kurswechsel – machen!“ gibt es in Schleswig-Holstein quasi zweites Mal: das Projekt "Kurswechsel – machen!" der HKW Flensburg und der HWK Lübeck. Das Projekt „Kursänderung“ lief sehr gut, wir konnten sehr erfolgreich Studienabbrecher/-innen ins Handwerk vermittelt. Jeder, der eine Lehre im Handwerk beginnen wollte, konnte auch vermittelt werden.

An diesen Erfolg knüpfen wir mit den beiden Projekten an. Wir konnten unser Beratungsangebot an den Hochschulen ausweiten. Während der ersten Projektlaufzeit haben wir „nur“ im Beratungszentrum des Studentenwerks Schleswig-Holstein in der Mensa 2 der Christian-Albrechts-Universität Kiel eine wöchentliche Sprechstunde angeboten. Inzwischen gibt es Sprechstunden auf dem Campus Lübeck, dem Campus Flensburg, der FH Kiel und eine weitere in der Christian-Albrecht-Universität direkt in den Räumlichkeiten der Zentralen Studienberatung.

Woran liegt es, dass viele Studienabbrecher in eine Orientierungslosigkeit geraten und warum entscheiden sie sich letztlich für eine Ausbildung?

Ich würde es nicht als Orientierungslosigkeit bezeichnen, sondern als nicht erfüllte Erwartungen, Erfolgslosigkeit und/oder als "nicht geeignet sein" für die Lernform Studium. Während des Studiums muss ich alles selbst organisieren, niemand gibt mir vor, wie viel Zeit ich zuhause am Schreibtisch zur Nacharbeit verbringen muss bzw. sollte. Wenn ich dieses nicht tue, verliere ich den Anschluss, bestehe Klausuren nicht etc. Eltern bzw. das persönliche Umfeld erwarten, dass mit dem Schulabschluss Abitur studiert wird, da es die meisten Schulabgänger auch tun.

Das war früher so und ist immer noch so. Diesem „Druck“ wird nachgegeben, obwohl lieber eine Lehre gemacht worden wäre. Das höre ich auch immer wieder in meinen Beratungsgesprächen. Und „endlich“ haben sie sich von den fremden Erwartungen befreit und ziehen ihr eigenes Ding durch. Und sind endlich wieder glücklich und zufrieden.

Wie hoch ist die Anzahl der Studienabbrecher, die gezielt nach einer Ausbildungsstelle suchen?

Die Anzahl der Studienabbreche/-innen wird mit ca. 30 Prozent angegeben. Diese Zahl ist seit sehr vielen Jahren ungefähr immer gleich hoch und schwankt nur gering. Je nach Studiengang ist sie höher oder niedriger. Nicht alle sind auf der Suche nach einer Ausbildung. An den Fachhochschulen zum Beispiel studieren ca. 40 Prozent, die bereits eine Ausbildung erfolgreich beendet haben. Die gehen oftmals zurück in ihren erlernten Beruf oder machen eine fachlich passende Weiterbildung. Andere arbeiten ungelernt in einer Vollzeitstelle, bspw. im Handel, in der Gastronomie. Wieder andere machen sich selbständig.

Ich schätze, dass von den Studienabbrechern ca. 50 Prozent eine Ausbildung anstreben. Und dass etliche im Handwerk landen, habe ich bei der Auswertung einer Befragung gesehen, die ich bereits zwei Mal bei den Lehrlingen der HWK Flensburg durchgeführt habe. Alle Lehrlinge mit Abitur bzw. Fachhochschulreife sind damals befragt worden. 2016 hatten ca. 20 Prozent vorher studiert, 2018 war es knapp Viertel. Und es waren vereinzelt welche dabei, die mit einem abgeschlossenen Studium eine handwerkliche Ausbildung begonnen haben.

Wonach orientieren sich Studienabbrecher in der Regel bei der Suche nach einer Ausbildungsstelle?

Sie orientieren sich an dem, was sie kennen, und nicht an dem, was möglich wäre. Die meisten jungen Leute, die ich berate, wollen eine Lehre als Tischler beginnen. Oder als Zimmerer. Wenn ich nachfrage, können sie mir sechs bis acht Handwerksberufe nennen. Dabei gibt es über 130 Ausbildungsberufe im Handwerk. Ich versuche dann, das Interesse an einem anderen Beruf zu wecken, da die Lehrplätze als Tischler bzw. Zimmerer immer sehr schnell weg sind. Oftmals gelingt es mir auch. Sie machen ein Praktikum und sind begeistert von einem Beruf, den sie niemals in Erwägung gezogen hätten.

Und was bedeutet das für Unternehmen, die dringend nach Bewerbern für Ausbildungsplätze suchen?

Fast alle Unternehmen, mit denen ich Kontakt hatte, haben entweder sofort oder nach einem Beratungsgespräch zugesagt, ein Praktikum für Studienabbrecher/-innen anzubieten. Es kam sehr selten vor, dass die Kandidatinnen und Kandidaten für den Beruf nicht geeignet waren oder das Praktikum bzw. der Betrieb nicht gefallen hat. Dann habe ich weitergesucht. Viele Betriebsinhaber rufen mich jedes Jahr erneut an und fragen, ob ich wieder jemanden für sie hätte.

Wie schätzen sie die Motivation von Studienabbrechern nach ihrer "Niederlage" ein?

Ich sehe einen Studienabbruch nicht als Niederlage. Ich habe selbst ein Studium abgebrochen, weil das Fach nichts für mich war und das Studieren auch nicht. Ich hatte aber bereits eine kaufmännische Ausbildung erfolgreich beendet, auf der ich aufbauen konnte. Um dann schließlich zehn Jahre später erneut zu studieren und das Studium erfolgreich zu beenden. Das versuche ich auch in den Beratungsgesprächen zu vermitteln.

Die Motivation ist sehr hoch, sie verkürzen sehr oft ihre Ausbildung und schließen dann sogar als Beste oder Zweitbeste die Ausbildung ab. Und die Unternehmen versuchen, sie nach Abschluss der Lehre auch im Betrieb zu halten, in dem sie Weiterbildungen anbieten und finanzielle Anreize schaffen.

Über welche Kommunikationskanäle erreichen Unternehmen diese neuen potenzielle Auszubildenden?

Unternehmen müssen heutzutage aktiv sein und nicht darauf warten, dass Bewerbungen „hineinflattern“. Die Zeiten sind vorbei. Das vermittle ich den Betrieben auch. Beispielsweise Kooperationen mit den Schulen in der näheren Umgebung eingehen oder Aushänge in den Hochschulen machen, Teilnahme an Firmenkontakttagen, die in den Hochschulen angeboten werden. Firmenmessen in Gemeinschaftsschulen usw.

Und die Lehrlinge gut behandeln und gut mit ihnen umgehen. Es spricht sich sehr schnell herum, wenn dieses nicht der Fall ist. Und dann können die Unternehmen noch so viele Aktivitäten entwickeln, es wird sich dort niemand bewerben. Auch die Internetpräsenz muss stimmen. Nichts ist schlimmer als eine „langweilige“ oder veraltete Website. Und Social Media muss bespielt werden, egal wie zeitaufwändig das auch ist.

Was raten Sie Unternehmen zur gezielten Suche nach der Zielgruppe "Kurswechsler"?

Da hilft nur Präsenz und irgendwie in den Fokus gelangen. Mit witzigen Werbeaktionen auf Firmenwagen oder in kostenlosen Zeitungen, die von der Zielgruppe gelesen werden. In Flensburg gibt es die Wochenschau und die MoinMoin, die in den Hochschulen ausliegen und in allen Briefkästen landen. Oder bei Sportveranstaltungen oder sonstigen Veranstaltungen im Ort auffällige Aktionen starten.

Und ganz klar kommunizieren: Wir wollen Studienabbrecher ausbilden.

Frau Mainusch, vielen Dank für die ausführlichen Antworten über Studienabbrecher als Azubis!


Fotos: Iris Mainusch



 

 

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